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Politik: Ein Bauer macht Staat

Boliviens designierter Präsident wirbt um Unterstützung – und kann erste Erfolge verbuchen

Von Michael Schmidt

Berlin - Das hat es so auch noch nicht gegeben. Evo Morales, der am 18. Dezember mit 54 Prozent zum ersten Indio-Präsidenten in der 180-jährigen Geschichte Boliviens gewählt wurde, ist auf großer Auslandsreise – und trifft, noch vor seiner Amtseinführung am 22. Januar, bereits erste Absprachen, unterzeichnet Abkommen, schließt Verträge. Dabei macht der 46-Jährige, ob auf Kuba, in Spanien oder wie am Donnerstag bei Vertretern der Europäischen Union in Brüssel, auf dem für ihn unbekannten diplomatischen Terrain eine durchaus passable Figur, gemessen an den Ergebnissen.

Ziel des reisenden Koka-Bauern ist es, bei den verbündeten Nachbarn um Unterstützung zu werben und bei skeptischen Beobachtern in Übersee Bedenken auszuräumen, die sich aus seinem Programm ergeben. Das sieht die Verstaatlichung der Energieressourcen vor und den Ausbau des Koka-Anbaus. Wie zuvor Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, der zudem ankündigte, Bolivien einen Großteil seiner Auslandsschulden in Höhe von rund 120 Millionen Euro zu erlassen, forderte die EU Morales am Donnerstag auf, Rechtssicherheit für internationale Investoren zu garantieren. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regierung dafür sorgt, dass für Investoren ein stabiles Umfeld und Rechtssicherheit garantiert sind“, sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana. Morales erklärte, Bolivien werde „seine Eigentumsrechte wahrnehmen und verstaatlichen“, das bedeute aber nicht, dass Unternehmen enteignet, beschlagnahmt oder vertrieben würden: „Spanische und private europäische Firmen haben bei Investitionen in Bolivien nichts zu befürchten“.

Die EU will eine Studie zum Koka-Anbau in dem Andenstaat unterstützen, die klären soll, welcher Anteil der Produktion in den traditionellen und legalen Konsum fließt und wie hoch der Anteil ist, aus dem Kokain hergestellt wird. Bolivien ist nach Kolumbien und Peru der weltweit drittgrößte Koka-Produzent. Morales will die von den USA unterstützte Kampagne zum Stopp eines Anbaus der Pflanze beenden. Bei den Gesprächen mit den EU-Vertretern dürfte es deshalb, wie Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin vermutet, auch darum gegangen sein, „welche Rolle die europäische Entwicklungszusammenarbeit künftig beim Substitutionsanbau für die Koka-Pflanze spielen könnten“.

Zum Auftakt der Reise hatte Morales Kuba und Venezuela besucht. Staatschef Fidel Castro schickte sein Privatflugzeug nach Bolivien , um Morales abholen zu lassen. In Caracas sagte Morales, sein venezolanischer Kollege Hugo Chavez und er seien sich einig in ihrem – vor allem gegen die USA gerichteten – Kampf gegen Neoliberalismus und Imperialismus: Morales hatte US-Präsident George W. Bush jüngst den einzigen Terroristen genannt, den er kenne. Chavez versprach Bolivien monatliche Lieferungen von 150 000 Barrel Dieselkraftstoff – so viel, wie der Andenstaat überhaupt nur verbraucht. Venezuela will dafür kein Geld, sondern landwirtschaftliche Erzeugnisse erhalten.

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