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Politik: Ein bisschen Freiheit

Die Angehörigen der freigelassenen Palästinenser freuen sich – aber Arafat fühlt sich hereingelegt

Von Charles A. Landsmann,

Tulkarem

Es sollte eine Geste des guten Willens sein: Israel ließ am Mittwoch 334 palästinensische Häftlinge frei. Doch was als vertrauensbildende Maßnahme gedacht war, kam bei der Gegenseite nicht gut an: Die Palästinensern fühlen sich verschaukelt, weil sie die Freilassung von weit mehr Gefangenen gefordert hatten.

Die Angehörigen der Entlassenen bereiteten den Ex-Häftlingen einen teilweise überschwänglichen Empfang. Während an den meisten Kontrollpunkten nur relativ wenige Angehörige warteten, hatten sich in Tarkumiya weit über tausend Menschen eingefunden, die mit Freudenschreien, traditionellen Tänzen und lautem Jubel die Freigelassenen empfingen. Mohammed, der auf seinen jüngeren Bruder wartete, gab sich wütend: Der Bruder habe genau am Tag der Freilassung seine dreieinhalbjährige Haftstrafe verbüßt, wäre also ohnehin freigekommen und dürfe deshalb keineswegs in der Bilanz als vorzeitig Freigelassener aufscheinen. Zahlreiche Häftlinge wiederum versicherten, sie wüssten auch heute nicht, weshalb sie festgenommen und inhaftiert worden seien, da sie niemals mit Beschuldigungen konfrontiert worden seien. Enttäuscht zeigte sich auch die palästinensische Führung. Palästinenserpräsident Jassir Arafat beschuldigte Israel sogar, ihn und sein Volk „hereingelegt" zu haben.

Ganz anders hörte sich am Mittwoch die israelische Reaktion auf die Freilassungen an: Der Schritt entspreche einem Wunsch des palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas und solle dessen Stellung in der palästinensischen Politik stärken, hieß es. Vor allem aber wurde auch darauf hingewiesen, dass der politische Fahrplan zum Frieden in seiner ersten Phase von Israel eigentlich gar keine Freilassungen verlangt.

Von einer „Medien-Show“ sprechen dagegen viele der palästinensischen Angehörigen. Sie argumentieren, dass viele von den nun freigelassenen Häftlingen ohnehin schon in drei bis vier Monaten ihre Strafe abgebüßt hätten. Nach den Angaben von „Addameer", der Vereinigung für Häftlings-Unterstützung und Menschenrechte, stimmt dies: Nur 52 der 183 verurteilten Freigelassenen wären erst im nächsten Jahr, weitere 32 erst 2005 freigekommen. Alle anderen wären schon dieses Jahr in die Freiheit entlassen worden oder sie galten als so genannte Administrativhäftlinge – also Gefangene, die weder verurteilt noch angeklagt wurden und in der Regel zwischen drei und sechs Monaten festgehalten werden.

Der weitaus größte Teil der insgesamt 334 Freigelassenen – allesamt Männer oder männliche Jugendliche – stammen aus dem Westjordanland, nur ein paar wenige Dutzend aus dem Gazastreifen. 270 verbüßten ihre Strafe im berüchtigten Haftlager Ketzioth in der Negev-Wüste nahe der ägyptischen Grenze, 64 im Gefängnis Meggido in Zentral-Israel. Sie alle mussten eine Erklärung unterzeichnen, dass sie sich jeglicher terroristischer Aktivitäten gegen Israel enthalten werden.

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