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Politik: Ein bisschen unabhängig

Der Bundespräsident soll neutral sein – doch die Kandidaten brauchen die Hilfe ihrer Parteien

Berlin - An das neue Büro, die ständige Begleitung durch Helfer aus den Parteizentralen haben sie sich gewöhnt. Auch daran, dass sie kaum einen Schritt ohne öffentliche Aufmerksamkeit tun können. Aber selbstverständlich finden es beide nicht, wie eng ihr Leben seit dem 5. März mit den Hauptquartieren von CDU und SPD verbunden ist: dem Tag, an dem Horst Köhler und Gesine Schwan fürs höchste Staatsamt nominiert wurden.

Nach der Wahl am Sonntag muss, wer immer es wird, als überparteiliche Figur agieren. Köhler hat schon vor dem ersten Interview fragen lassen: „Können wir uns auf neutralem Boden treffen?“ Auch Schwan verabredet sich gern außerhalb der SPD-Zentrale. In beider Umgebung gilt es als unvermeidlich, dass das Konrad-Adenauer- beziehungsweise das Willy-Brandt-Haus Hilfe leisten: ein Büro mit Sekretariat, zwei weitere Mitarbeiter für Begleitung, Pressearbeit, Termine, den Schriftverkehr, ein Auto. Beide kamen weder aus einem Regierungs- noch einem Parteiamt, hatten keinen Apparat, den sie nutzen konnten. Woher also nehmen, ohne Rückfragen auszulösen? Hilfe von den politischen Stiftungen? Die gelten als parteinah. Aus der Industrie? Das gäbe eine Abhängigkeitsdebatte. Und wer auf öffentlich Bedienstete zurückgreift, riskiert eine Diskussion über die Zweckentfremdung von Steuergeldern.

Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) setzt zwar ihren dortigen Pressereferenten ein, hat ihn aber beurlauben lassen. Nicht, dass ihr jemand vorwirft, sie lasse ihre Kampagne aus Unigeldern sponsern. Diese Strenge finden einige übertrieben, und ein FDP-Abgeordneter meint, die Uni hätte darin eine gute Investition sehen sollen: Bei der Spendenwerbung könne die Viadrina dank Schwans gewachsener Popularität mit einem Vielfachen der Gehaltskosten des Referenten rechnen. Aber wen man bei CDU und SPD fragt, alle halten andere Lösungen für problematischer als die diskrete Umarmung durch die Parteizentralen.

Und die Überparteilichkeit? Das ist für Schwan das geringste Problem. „Die Unabhängigkeit hängt nicht daran, wer Büro, Personal und Auto stellt. Sondern ob man sich parteipolitisch instrumentalisieren lässt.“ Da vertraut sie auf sich – und die Wächterfunktion der Medien. Beim Kaffee auf ihrer Terrasse kann man beobachten, wie große Krähen ein Eichhörnchen in den alten Bäumen jagen. Doch das weicht geschickt aus. Schwan kann noch so offensiv die Öffentlichkeit und das Gespräch mit allen Gruppen suchen – rechnerisch hat Köhler die Mehrheit in der Bundesversammlung. Es wäre eine Sensation, wenn er verliert. Gewiss, sie lässt sich beraten, hat ein Strategiegespräch mit Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier geführt, hält nach Auftritten Manöverkritik mit ihrem kleinen Stab. In diesen Runden hat sie sich vorgenommen, Köhlers Auftritte nicht öffentlich zu kommentieren.

Auch auf Krähen trifft, wer Laurenz Meyer hoch im Konrad-Adenauer-Haus besucht. Keine Jagdszenen hier, sie thronen auf dem breiten Fenstersims des Generalsekretär-Büros, als hätten sie alles unter Kontrolle. Es war nicht leicht, Mitarbeiter für Köhlers Unterstützung freizustellen, bei der knappen Personaldecke, sagt Meyer. Ex-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann wurde reaktiviert. Ein Novum sieht Meyer nicht in der Hilfe für Köhler. Das bewege sich auf dem Niveau wie für Dagmar Schipanski, die Gegenkandidatin zu Johannes Rau. Strategiedebatte nach Auftritten? Die Präsidentenkür sei kein Kanzlerwahlkampf, entgegnet Meyer. CDU-Abgeordnete sagen, Köhler wisse ohne auch Rat, dass er den Wunsch nach einer Kanzlerin Merkel 2006 bei der Vorstellung in der CDU-Fraktion in NRW besser nicht wiederholt.

Unabhängigkeit zeigt sich für Meyer in der Breite der Kontakte, die Köhler sucht: Gewerkschaften, Kirchen, Verband der Muslime, Besuch in allen Bundesländern. Und die Überparteilichkeit, prognostizieren Unionspolitiker, werde man daran ablesen können, wie das künftige Staatsoberhaupt in der Übergangszeit bis zur Vereidigung Anfang Juli sein Personal zusammenstellt. Ohne dem 23. Mai vorzugreifen, und nur mal angenommen, die Bundesversammlung wählte Köhler: Der sei viel zu unabhängig, um sich Parteileute ins Präsidialamt zu holen.

Dann ziehen die Befragten doch noch einen gemeinsamen Schlussstrich unter die Erfahrung mit den Kandidaturen 2004: Die Medien haben das Privatleben Köhlers, Schwans und ihrer Familien respektiert. Ein gewichtiges Argument gegen die Direktwahl des Bundespräsidenten.

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