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Politik: Ein Drittel der Arbeitslosen sucht keine Stelle

Fast jeder dritte Arbeitslose sucht keinen neuen Job. Dies geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Bonner Meinungsforschungsinstitutes Infas hervor, die dem "Spiegel" und dem Tagesspiegel vorliegt.

Fast jeder dritte Arbeitslose sucht keinen neuen Job. Dies geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Bonner Meinungsforschungsinstitutes Infas hervor, die dem "Spiegel" und dem Tagesspiegel vorliegt. 15 Prozent der befragten Erwerbslosen sagten dem Bericht zufolge, sie wollten keine neue Stelle mehr antreten, weil sie bereits eine Zusage für eine Vorruhestandslösung oder die Rente hätten. Fünf Prozent suchten keinen Job, weil sie schon einen neuen Arbeitsvertrag in der Tasche hatten. Weitere sieben Prozent sehen die Arbeitslosigkeit als Übergang zu Wehr- oder Zivildienst oder zum Erziehungsurlaub.

Für die Studie im Auftrag der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit wurden 20 000 Erwerbspersonen befragt. Sie zeigt, dass das deutsche Arbeitsvermittlungssystem zum großen Teil an den tatsächlichen Bedürfnissen der Arbeitslosen vorbeigeht. So müssten bestimmte Gruppen von Erwerbslosen intensiver betreut werden, andere könnten aus der Statistik gestrichen werden.

Arbeitnehmer, die zwar vermittelbar wären, sich aber nicht selbst intensiv um eine neue Stelle kümmern, brauchen mehr Betreuung - und mehr Druck, sich zu bewerben. Junge männliche Arbeitnehmer in wirtschaftlich gesunden Gebieten zum Beispiel könnten zum großen Teil ganz aus der Statistik gestrichen werden: Sie haben oft schon einen neuen Job in der Tasche, wenn sie sich arbeitslos melden. Auch ältere Arbeitnehmer sind ein Problem: Sie haben so geringe Chancen, wieder eine Arbeit zu finden, dass sie im Grunde in der Statistik der tatsächlich vermittelbaren Arbeitnehmer nichts zu suchen haben. Hier empfehlen die Wissenschaftler, die arbeitsmarktpolitischen Bemühungen vor allem darauf zu konzentrieren, den Arbeitsplatz zu erhalten.

Um diejenigen aber, bei denen aktive Jobvermittlung gute Aussichten auf Erfolg hat, kümmern sich die Arbeitsämter zu wenig. 20 Prozent der von Infas befragten Arbeitslosen sagten, sie seien nur mäßig an einem neuen Job interessiert. Wer sich aber in den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit nicht intensiv bewirbt, hat fünf- bis neunmal schlechtere Aussichten auf einen neuen Job als Arbeitslose, die sich sehr intensiv um eine neue Stelle bemühen.

Die Folgen sind laut Infas katastrophal: Wer nach den ersten drei Monaten in Arbeitslosigkeit keinen neuen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt - also in einer nicht bezuschussten Stelle - gefunden hat, dessen Chancen auf einen neuen Job sinken drastisch. Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit besteht fast keine Aussicht, eine neue Stelle zu finden: und zwar in West- und in Ostdeutschland. Während Westdeutsche im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit eine deutlich bessere Chance auf einen neuen Job haben, nimmt der Westvorteil mit der Dauer der Arbeitslosigkeit ab.

Oft beschäftigen sich die Arbeitsämter aus Sicht der Meinungsforscher mit Fällen, die keine sind. So melden sich viele nur deshalb arbeitslos, um zwischen Schule und Wehrdienst, zwischen Entlassung und Rente einen Sozialversicherungsanspruch zu behalten. Die Arbeitsämter verwenden auch viel Geld und Mühe darauf, über 50-Jährige wieder in Arbeit zu bringen - ein Unterfangen, das solange keinen Erfolg haben kann, wie es eine Menge junger Arbeitsloser gibt.

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