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Politik: Ein Etat auf Vorrat

Eichel plant die Steuersenkung in den Haushalt ein – die Kreditaufnahme steigt um sieben Milliarden Euro

Seltsam. Es ist noch keine Woche her, da präsentierte Hans Eichel den Bundeshaushalt für 2004. Am Mittwoch tat er es noch einmal. Was sich seit dem Wochenende geändert hat: Die Regierung beschloss, die dritte Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2004 vorzuziehen. Formell stimmte das Kabinett dem am Mittwoch zu – wie auch dem Etat.

15 Milliarden Euro mehr Geld in der Tasche bringt die Steuersenkung den Bürgern. Der Bund muss davon sieben Milliarden Euro gegenfinanzieren. Und so stehen in dem Haushalt, den Eichel am Mittwoch auch vor der Presse präsentierte, als Obergrenze für die Neuverschuldung jetzt 30,8 statt 23,8 Milliarden Euro. Dies solle aber keinesfalls bedeuten, dass er die Steuersenkung komplett mit höheren Schulden finanzieren wolle, betonte Eichel. Dies sei aber keine inhaltliche Festlegung. Jeder Euro, der an Subventionen eingespart oder durch Verkäufe erzielt werde, müsse abgezogen werden.

Das glaubt die Opposition aber nicht. Die drei Unions-Haushälter Dietrich Austermann, Bartholomäus Kalb und Steffen Kampeter bescheinigten Eichel, sein Entwurf gehöre „eigentlich in den Orkus“. Schlussendlich werde die Neuverschuldung 2004 bei 40 bis 45 Milliarden Euro liegen, damit sei der Haushalt eindeutig verfassungswidrig.

Nun ist jede Debatte über den Etat für das kommende Jahr so lange theoretisch, bis die Gegenfinanzierung für das Vorziehen der Steuerreform zwischen Regierung und Opposition sowie Bund und Ländern geklärt ist. Eichel will hierfür zwei neue Arbeitsgruppen einsetzen, die eine für die Bund-Länder-Beziehungen und die zweite als offizielle Weihe der SPD-Unions-Gespräche über den Abbau von Subventionen, die die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück bereits führen.

Die drei Unions-Haushälter warfen Eichel am Mittwoch vor, er gehe in jedem zentralen Bereich von irrigen Annahmen aus. Arbeitslosigkeit, Wachstum, Steuerausfälle: Alles werde schöngerechnet. Dem Höchststand bei den Schulden stehe ein historisches Tief bei den Investitionen gegenüber. Statt einer „geordneten Privatisierung“ drohten Panikverkäufe der Bundesanteile an Post und Telekom. In zwei Bereichen breche Eichel frühere Zusagen. Weder fließe die neu erhobene Maut in den Straßenbau, noch komme die Ökosteuer ganz der Beitragsstabilisierung der Rente zu Gute. Mit „echtem Sparen“, so Austermann, seien drei bis vier Milliarden Euro zu erwirtschaften. Die Union werde den Steuersenkungen nur zustimmen, wenn sie in einem verfassungskonformen Etat gegenfinanziert seien. Vorschläge hierzu sollten nicht in einem öffentlichen „Pingpongspiel“ zwischen Regierung und Opposition ausgetauscht werden, empfahl Eichel. Diskretion sei der beste Weg zur einvernehmlichen Lösung. Wobei der Finanzminister die Union nicht nur beim Steuersenken, sondern auch bei der Agenda 2010 mit im Boot sieht. Schließlich sei die Steuersenkung „der Schlussstein“ eines „gesamten Gebäudes, das man zusammenbauen muss“.

Im neuen Etat, der in zwei Monaten parlamentarisch behandelt und dann noch zigfach geändert wird, findet sich auch erstmals das Eingeständnis, dass es im laufenden Jahr mit einem Ziel nicht klappen wird: dem Erreichen des Maastricht-Kriteriums – Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Das Staatsdefizit wird 2003 voraussichtlich rund 3,5 Prozent betragen“, gesteht Eichel.

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