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Politik: Ein Fest der Solidarität

Bundespräsident Köhler reist zum Jubiläum in Danzig. Polen erwartet auch ein Wort zur Vertriebenenfrage

Berlin - Wenn sich viele kleine Problemfäden zweier Länder allmählich zu einem kleinen Knäuel zu verknubbeln drohen, braucht man jemanden, der Abhilfe schafft. Keinen, der mit der Schere den Knubbel durchschneidet, sondern jemanden, der sich mit Knoten auskennt – und helfen kann, den Faden nicht zu verlieren. Diese Aufgabe könnte Horst Köhler bei seinem Besuch in Polen zukommen.

Wenn der Bundespräsident heute Vormittag in Polen zu seinem ersten Staatsbesuch eintrifft, wartet ein ungewöhnlich dichtes Programm auf das Staatsoberhaupt. Schon am ersten Tag seiner dreitägigen Reise stehen fünfzehn offizielle Termine auf dem Programm – darunter Gespräche mit dem polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski und die Grundsteinlegung der neuen deutschen Botschaft am alten Warschauer Königsweg. Am Mittwoch folgt der Höhepunkt seiner Reise, die Teilnahme an den offiziellen Feierlichkeiten zum 25-jährigen Solidarnosc-Jubiläum in Danzig, zu dem Staatsoberhäupter und Regierungschefs aus ganz Europa erwartet werden. Zum Abschluss seines Besuchs nimmt Köhler am Donnerstag an den Gedenkfeiern anlässlich des Jahrestags des deutschen Überfalls auf Polen vor 66 Jahren auf der Danziger Westerplatte teil.

Doch die eigentlichen deutsch-polnischen Problemknäuel lauern abseits des offiziellen Programms. Es ist die alte Geschichte deutsch-polnischer Missverständnisse, die immer den gleichen Ausgangspunkt hat: die unterschiedliche Bewältigung der gemeinsamen Vergangenheit. „Unser Geschichtsbild ist noch immer völlig unterschiedlich“, sagt Piotr Jendroszcyik, Deutschland-Korrespondent der wichtigsten überregionalen polnischen Tageszeitung „Rzeczpospolita“. Zwei Beispiele führt er an, die die gegenseitigen Missverständnisse verdeutlichen: Die polnische Angst vor einer deutsch-russischen „Achse“ und Befürchtungen vor einer Relativierung der deutschen Kriegsschuld durch ein nationales Zentrum gegen Vertreibungen des Bundes der Vertriebenen. Dass beides in Deutschland kaum beachtet werde, sei typisch für das manchmal etwas „selbstgewisse“ Geschichtsbild der Deutschen, findet Jendroszcyik. In Polen sei die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg sehr viel lebendiger als in Deutschland – Entschädigungsforderungen einzelner Vertriebener träfen deshalb auf eine besonders große Resonanz.

Horst Köhler hat solchen Forderungen schon bei seinem kurzen Antrittsbesuch in Polen im vergangenen Jahr eine klare Absage erteilt. Unterschiedliche Ansichten über das Gedenken an deutsche Vertriebenenschicksale begegnen ihm jedoch schon in seiner eigenen Delegation: Die Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsch-polnischen Beziehungen Gesine Schwan und der SPD-Außenpolitiker Markus Meckel gelten beide als entschiedene Gegner eines Zentrums gegen Vertreibungen mit Sitz in Berlin. Der vertriebenenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Erwin Marschewski (CDU) empfindet dagegen große Sympathien für das Projekt des Vertriebenen-Verbands.

Im Gespräch mit seinen polnischen Partnern steht Köhler so vor einer schwierigen Aufgabe: Im Konflikt um das umstrittene Vertreibungszentrum muss er einerseits überparteilich bleiben – seine polnischen Gesprächspartner werden von ihm aber trotzdem eine eigene Haltung erwarten. „Er wird darüber Auskunft geben müssen“, erwartet auch Jendroszcyik. Als „Grüßonkel“ wird Köhler dabei kaum auftreten. In kaum einem anderen Bereich präsidialer Außenpolitik ist der Raum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten größer als bei den deutsch-polnischen Beziehungen. Sein Amtsvorgänger Johannes Rau ergriff mit der „Danziger Erklärung“ gemeinsam mit Kwasniewski die Initiative für das „Europäische Netzwerk für Erinnerung und Solidarität“, in dem mehrere Länder Europas gemeinsam Krieg und Vertreibung gedenken sollen. Horst Köhler hat sich dieser Erklärung angeschlossen.

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