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Politik: Ein Hauch von Grün

Hamm-Brücher entdeckt liberale Werte heute jenseits der FDP

Natürlich, sagt die Frau vom Verlag, ist es purer Zufall. Und natürlich glaubt ihr niemand. Während die FDP in Bremen ihren großen Parteitag abhält, stellt Hildegard Hamm-Brücher, die ehemals große Dame dieser Partei, in Berlin ihr neues Buch vor. Der Econ-Verlag hat es in einen knallgelben Umschlag hüllen lassen, auf dem mit blauer Schrift „Ich bin so frei“ steht – Assoziationen mit den Freien Demokraten ausdrücklich erwünscht. Und natürlich ist es das, was bei dieser Buchvorstellung am meisten interessiert: Wie ist es jetzt, das Verhältnis zwischen Hamm-Brücher und der FDP?

Am Tag der Bundestagswahl war sie im September nach 54 Jahren Mitgliedschaft aus der Partei ausgetreten. Der „anvisierte Haider-Kurs“ des Jürgen W. Möllemann und der Umgang damit habe den gärenden Scheidungsprozess mit der Partei, in der sie sich immer weniger wiederfand, zu einem Ende gebracht. So etwas tut vermutlich ziemlich weh. Doch jetzt, sagt Hamm-Brücher, hat sie sich „völlig abgenabelt“. Das hindert die inzwischen 82-Jährige aber nicht daran, der Partei und dem „ehemaligen Chef“ Guido Westerwelle einige Ratschläge mit auf den Weg zu geben.

Sichtlich erfreut ob des regen Interesses sitzt sie im alt-rosa Kostüm und mit strahlend weißer Haarpracht vor der Zuhörerschaft und geißelt die „auf Schuhsohlen und Schlafanzüge gestickte 18“ als „läppische Sache“. Das Publikum und die Moderatorin Sandra Maischberger, die für das Interview-Buch zwei Tage lang mit Hamm- Brücher gesprochen hat, sind gleichermaßen erheitert. Doch diese ist nicht zum Scherzen gekommen. Das Projekt 18 beizubehalten, hält sie für einen fatalen Fehler, der das „blamable Odium des Scheiterns“ beständig bei sich tragen wird. Die FDP sieht sie von einem „zweistelligen Ergebnis weiter entfernt denn je“. Und Potenzial an jungen Nachwuchspolitikern entdeckt sie heute „relativ gesehen“ am ehesten bei den Grünen. Dort finden sich ihrer Meinung nach auch viele Werte wieder, die früher bei der FDP beheimatet gewesen seien.

Trotzdem klingt das alles andere als verbittert. Eher nach einer nach wie vor engagierten Kämpferin für Demokratie und Politik ohne Filz, die jetzt ein bisschen an der „deutschen Spezialität Reformstau“ verzweifelt. Spricht sie über Westerwelle, hört sich das ebenfalls eher nachsichtig an als enttäuscht. Der FDP-Chef hatte ihr nach dem Parteiaustritt einen Brief geschrieben, in dem er ihren Schritt „wirklich bedauert“ hat, sagt Hamm-Brücher. Nur auf das klärende Gespräch, das Westerwelle nach der ersten Aufregung mit ihr führen wollte, darauf wartet sie noch heute.

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