zum Hauptinhalt

Politik: Ein hochbrisanter Fund

Geheimdienste vereiteln offenbar geplanten Giftanschlag in London

„Höchste Wachsamkeit, keine Panik“, gab Scotland Yard am Dienstag als Devise aus, nachdem Geheimdienste und Polizeieinheiten in London offenbar den konkretesten Anschlagsplan seit dem 11. September vereitelt hatten. Zwar wurde bei der dramatischen Razzia von Polizisten in Schutzanzügen am Sonntag morgen im Norden Londons nur „eine geringe Menge“ des Giftstoffs Rizin sichergestellt. Aber Rizin ist Experten zufolge 5000 mal giftiger als Zyanid und kann als Kontaktgift bereits durch Berühren und Inhalieren wirksam werden.

1978 wurde das Gift bei dem legendären „Regenschirmattentat“ auf den Exilbulgaren Georgi Markov in London eingesetzt. Ein Gegenmittel für den aus den Fruchtkapseln der Rizinuspflanze leicht zu gewinnenden Stoff gibt es nicht. Die tödliche Wirkung tritt erst nach drei bis fünf Tagen ein. Großbritanniens Gesundheitsbehörden wurden angewiesen, bei Patienten nach den Symptomen einer Rizinvergiftung Ausschau zu halten.

Die Verhaftung wurde bei einer hastig einberufenen Pressekonferenz von Scotland Yard bekannt gegeben, nachdem Analysen im Regierungslabor Porton Down erst am Dienstag den Giftverdacht bestätigt hatten.

Seit Monaten wird in London über mögliche Bioanschläge spekuliert. Osama bin Laden hatte Großbritannien als „legitimes“ Ziel eines Al-Qaida-Anschlags bezeichnet. Im November wurden Nordafrikaner verhaftet, die einen Gasanschlag in Londons U-Bahn vorbereitet haben sollen. Nun wurde erstmals wirklich ein Gift sichergestellt.

Die Fahnder wollten gestern abend vor allem dreierlei wissen: Wie das Gift eingesetzt werden sollte, ob mehr davon in den Händen der Gruppe ist und woher das Rizin kommt. Über die Identität der Verhafteten wurden keine weiteren Angaben gemacht. Die nordafrikanische Abstammung könnte auf die algerische Islamistengruppe Gia deuten, die 1995 bei einem Anschlag auf die Pariser Metro acht Menschen tötete. Dann stünde hinter dem jüngsten Fahndungserfolg die nach dem 11. September deutlich verbesserte Zusammenarbeit der Briten mit den französischen Geheimdiensten.

Spuren führen aber auch zur Al Qaida. Anweisungen zur Verwendung von Rizin wurden offenbar in einem von Al Qaida verlassenen Haus in Afghanistan gefunden. Rizin wird aber auch im Irak-Dossier der britischen Regierung erwähnt. UN-Inspektoren fanden 1997 Beweise dafür, dass der Irak den verbotenen Stoff produzierte.

Matthias Thibaut

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false