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Politik: Ein indischer Mythos verblasst

Rahul Gandhi sollte den Glanz der Familiendynastie wiederbeleben – doch er scheint zu scheitern.

Er hatte sich einen Bart stehen lassen, um rauer und männlicher zu wirken. Er hatte mit Dalits, Unberührbaren, das Essen geteilt, hatte sich an die Spitze landloser Bauern gesetzt und die Hände alter Frauen getätschelt. Ja, er hatte sogar in den Dörfern der Armen unter freiem Himmel geschlafen und sich von Moskitos zerstechen lassen, damit „ich euren Schmerz fühlen kann“.

Beinahe verzweifelt hat Indiens „Kronprinz“ Rahul Gandhi in den vergangenen zwei Jahren versucht, den alten Glanz der Gandhi-Dynastie wiederzubeleben und sich selbst als volksnaher Führer zu profilieren. Doch er erlebte ein Waterloo. Das Fiasko der Kongresspartei bei den Landtagswahlen vergangene Woche stellt auch seine politische Zukunft infrage.

In Indien werden nun die Zweifel lauter, ob der 41-jährige Dynastie-Erbe das Zeug hat, dereinst Partei und Land zu führen. Die Wahlen galten als seine Feuertaufe für höhere Weihen – sprich: den Premierministerposten. Doch das Ergebnis lässt sich nicht schönreden: Asiens wohl legendärste Familiendynastie, auch die indischen Kennedys genannt, kämpft gegen ihren Niedergang, ihre Partei verliert in weiten Teilen des Landes immer mehr ihre Machtbasis.

Früher reichte schon der Name Gandhi aus, um Wahlen zu gewinnen. Sie wurden wie Götter verehrt, und das Recht, das Land zu regieren, schien ihnen in die Wiege gelegt: Bereits Rahuls Vater, Großmutter und Urgroßvater waren Premierminister, die meiste Zeit seit der Unabhängigkeit 1947 hat der Clan das Riesenland regiert. Doch diese Zeiten scheinen vorbei. „Der junge Gandhi hat erwartet, dass sein Familienname wie ein Zauberstab wirkt“, meinte die „Times of India“ und höhnte: „Er kam, sah und verlor.“

Selbst das Urlaubsparadies Goa musste die Kongresspartei nun an die Hindu-Partei BJP abgeben. Und in Uttar Pradesh, dem größten und wichtigsten Bundesland, kam sie nur auf peinliche 28 von 403 Sitzen. Stattdessen machen vielerorts nun Regional- und Kastenparteien das Rennen.

Die Wahlen galten als Lackmustest für die Parlamentswahlen 2014 und lassen für die Kongresspartei nichts Gutes ahnen. Statt auf Inhalte und Programme hat sie viel zu lange vor allem auf die Magie der Gandhis gesetzt. „Das Problem der Partei ist, dass sie nicht nach Führern jenseits der Gandhis gesucht hat”, meint Rashid Kidwai, der eine Biografie über Parteichefin Sonia Gandhi, Rahuls Mutter, geschrieben hat.

Die Wahlschlappe macht das Regieren nicht leichter und könnte Indien weiter ins Hintertreffen gegenüber dem großen Rivalen China bringen. Geschwächt wird die Kongresspartei auf Bundesebene noch mehr zur Geisel ihrer Koalitionspartner. Bereits heute hält sie sich nur mühsam mit einem Sammelsurium von bockigen Kasten- und Regionalparteien in Delhi an der Macht. Als Folge konnte Premierminister Manmohan Singh, der als getreuer Statthalter der Gandhi-Dynastie gilt, seit den Wahlen 2009 keine größere Reform durchsetzen.

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