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Nach der Air-Berlin-Pleite: Inventar der Fluggesellschaft wird versteigert.

© Marcel Kusch/dpa

Ein Jahr Air-Berlin-Pleite: Warum Merkels Minister sich bei Air Berlin besser rausgehalten hätten

Auch ein Jahr nach der Insolvenz der Airline fehlen noch immer Antworten auf wichtige Fragen. Fest steht: Das Ganze war ein politischer Blindflug. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Hinterher ist man immer schlauer, heißt es. Auf den Tag genau ein Jahr nach der Pleite von Air Berlin stimmt das leider nur bedingt. Es gibt heute mehr Fragen und weniger Antworten als damals. Eine Frage lautet: Warum behandelt die Regierung ein seinerzeit erstelltes Gutachten der Wirtschaftsprüfer von PwC als Geheimsache?

Dieses Papier war an jenem Wochenende vor dem Insolvenzantrage immerhin eine wichtige Entscheidungsgrundlage dafür, dass mehrere Ministerien und das Kanzleramt einem 150-Millionen-Euro- Notkredit der Staatsbank KfW für Air Berlin zugestimmt haben. Heute weiß man: Wenn überhaupt, wird das Steuergeld erst in Jahren zurückgezahlt sein. Die Wirtschaftsprüfer selbst sollen damals eingeräumt haben, dass sie den Wert des Unternehmens mit seiner vermurksten Konzern- und Tariflohnstruktur seriös nicht binnen Stunden bewerten können.

Das ist nachvollziehbar. Aber warum haben sich die damalige Bundesregierung, inklusive Peter Altmaier (CDU), der auch in der neuen sitzt, nicht viel früher einen genauen Überblick verschafft? Air Berlin war ja keine Black Box. Das Unternehmen war börsennotiert, daher berichtspflichtig, und es schrieb seit Jahren tiefrote Zahlen.

Die Regierung fürchtete sich in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes vor den Auswirkungen der Air Berlin Pleite.

Angela Merkel persönlich hatte Carsten Spohr, dem Chef des Konkurrenten Lufthansa, Ende April 2017 auf einer Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate die Tür zu den Scheichs geöffnet, die das größte Aktienpaket bei Air Berlin kontrollierten. Spohr wollte einen Deal für eine Übernahme aushandeln. Es war naiv und industriepolitisch kurzsichtig von Merkel und ihren Ministern zu glauben, Air Berlin könne einfach so von dem Marktführer geschluckt werden. Die Regierung fürchtete sich vornehmlich vor 8.000 arbeitslosen Air-Berlinern und Zehntausenden gestrandeten Urlaubern, die in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes für miese Laune auf den Straßen hätten sorgen können.

Mit dem Kredit der Steuerzahler hat sich die Regierung also vor allem Ruhe und Zeit bis nach der Wahl erkauft. Dafür sehen mehr als eine Million Reisende, die vor dem 15. August 2017 für ein Ticket gezahlt hatten, jetzt kein Geld wieder, da der KfW-Kredit zuerst bedient werden muss.

Warum hat sich die Regierung blind auf den Lufthansa-Chef verlassen? Warum hat kein Minister vorhergesehen, dass die Kartellwächter in Brüssel einer Komplettübernahme der Air Berlin an den nationalen Marktführer kaum zustimmen können? Warum hat die Regierung tatenlos zugesehen als Lufthansa in den Monaten nach der Pleite eiskalt die Preise hochgeschraubt hat, da sie auf einigen Strecken das Monopol hatte? Warum hat sie die Air-Berliner im Regen stehen lassen?

Wenn sich die Politik schon einmischt, wenn Wirtschaft scheitert, dann sollte sie koordinieren, wettbewerbsneutral vermitteln, Härten für Mitarbeiter abfedern, Türen öffnen, Brücken bauen, um die Unternehmen möglichst bald wieder in die Freiheit zu entlassen. In der Bankenkrise 2009 hat das geklappt. Bei den späteren Mega-Pleiten Schlecker und Air Berlin offensichtlich nicht. Heute muss man sagen: Hätte Merkels Mannschaft sich doch besser rausgehalten.

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