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US-Präsident Donald Trump ist seit einem Jahr im Amt.

© REUTERS

Ein Jahr US-Präsident: Trump ist ein Risiko, Europa aber auch

Donald Trumps erstes Jahr als US-Präsident war ein Dauergetöse immer neuer Aufregung. Europa sollte sich davon nicht ablenken lassen - und eigene Stärke im Bündnis mit den USA betonen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Donald Trump ist ein Problem für die USA und die Welt. Aber gilt das nicht auch für unsere Seite des Atlantiks? Deutschland und Europa tun sich schwer, eine Antwort auf die Tabubrüche und die Unordnung, die er in die internationale Politik bringt, zu finden.

Trumps erster Traditionsbruch: Er vergiftet die politische Kultur der USA. Die Gesellschaft war schon vor ihm gespalten. Er bemüht sich nicht um Verständnis zwischen den Lagern, im Gegenteil. Er provoziert, beleidigt, schürt Hass und schwächt das demokratische System, statt zu einen.

Sein zweiter Traditionsbruch betrifft Amerikas Rolle in der Welt. Trump will nicht Hüter der liberalen Ordnung sein. Auch der Rückzug aus globaler Verantwortung hat vor ihm begonnen, unter Obama. Trump macht ihn mit „America First“ zum Prinzip. Als nationales Interesse gilt nur, was unmittelbaren Nutzen abwirft – am besten zählbar in Jobs oder Exportzuwachs. Den Nutzen einer jahrzehntelangen, von den USA dominierten Friedensordnung für Amerika, etwa für die „Soft Power“, hat er nicht im Blick. Er hat Freude an „Disruption“, der Erschütterung des Gewohnten. Im Idealfall muss das nicht schlecht sein, sofern es mit strategischem Kalkül geschieht und Bewegung in erstarrte Fronten bringt. Wo aber ist ein solcher Effekt zu sehen? Der Ausstieg aus dem Klimaabkommen, der Rückzug aus der Unesco, das Bekenntnis zu Jerusalem als Israels Hauptstadt, das Abrücken vom Atomdeal mit dem Iran – alles Beispiele, wo sich die destruktive Wirkung sofort zeigt und ein kreativer Impuls bestenfalls eine ferne Hoffnung ist. Die Ironie dabei: Vieles, was Trumps Basis freut und Gegner zur Weißglut reizt, ist Etikettenschwindel. Vorerst bleiben die USA im Klimaabkommen, bleibt die Botschaft in Tel Aviv, gilt der Iran-Deal.

Trumps erstes Jahr war ein Dauergetöse immer neuer Aufregung und Ablenkung. Wie reagiert die deutsche Öffentlichkeit? Mit noch mehr Aufregung über die Zumutungen. Was er für uns bedeutet, kommt zu kurz. Bei der Steuerreform dominiert die Klage über die soziale Ungerechtigkeit in den USA, nicht die Frage, welche Folgen niedrigere Unternehmenssteuern auf Investitionsströme und damit Jobs in Deutschland haben. Generell verdrängen Spott und Zorn über Trump die Analyse, wie wir unsere Interessen verteidigen und die liberale Weltordnung zu retten ist. Sie ist die Basis des deutschen Erfolgs als Exportweltmeister.

Die Einen erklären Trump für brandgefährlich, weil die USA so mächtig sind, erwarten aber zugleich deren Niedergang. Manche träumen, nun schlage die Stunde Europas. Die EU werde Amerika als Weltmacht ersetzen. Wie passt das zur Vielfachkrise der EU? Und sind die Fans eines stärkeren Europas bereit, den Preis zu bezahlen, von drastisch höheren Verteidigungsausgaben über den Ausbau der EU zu einem handlungsfähigen Staatenbund mit Mehrheitsentscheidungen auch dann, wenn Deutschland in der Minderheit ist, und einem Eurozonenbudget?

Die Anderen betonen: Die „Checks and Balances“ halten. Kongress, Gerichte und Medien grenzen Trump ein. Das ist nicht falsch, unterspielt aber die Gefahr für Deutschland, wenn der Protektionismus um sich greift. Ja, Europa muss handlungsfähiger werden. Aber nicht durch eine Emanzipation von Amerika, sondern durch eigene Stärke im Bündnis mit den USA. Die sind uns auch unter Trump näher als China oder Russland.

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

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