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Ein Macher in Sachen Migration?: Minister Dobrindt legt die Messlatte zu hoch
Italien und Griechenland sollen Asylbewerber zurücknehmen. Dobrindt inszeniert Stärke in der Migrationspolitik, doch der Erfolg nach den Ankündigungen ist ungewiss.

Stand:
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) inszeniert sich einmal mehr als Macher. Selbstbewusst tritt er vor die Kameras und verkündet eine Einigung in Sachen Migration. Oder in den Worten Dobrindts: „Kontrolle, Kurs und klare Kante“.
Das klingt doch gut. Ein Minister, der quasi persönlich Italien und Griechenland das Versprechen abgerungen hat, endlich Asylbewerber zurückzunehmen.
Der Auftritt überrascht nicht, lässt aber Zweifel zurück. Er überrascht nicht, weil Dobrindt von Anfang an als Mann der harten Hand auftritt. Als jemand, der Ordnung in die deutsche Migrationspolitik bringt, so die Erzählung.
Das soll gegen die AfD helfen und ihr das Hauptthema des vorangegangenen Wahlkampfes abnehmen. Grenzkontrollen, Abschiebungen, jetzt die Rücknahme Asylsuchender – Dobrindt präsentiert sich den Wählern als einer, der verstanden hat.
Gleichzeitig ist es im Sinne der gesamten Bundesregierung, zumindest auf einem Feld zu sichtbaren Ergebnissen zu kommen. Während sich die Koalition rund um Rente, Bürgergeld, Wahlrecht zu zerlegen droht, braucht es Erfolge. Dafür einmal mehr zuständig: der Innenminister.
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Immerhin, Deutschland soll nun bis Mitte 2027 keine Asylbewerber aus dem EU-weiten Solidaritätspool mehr aufnehmen. Gleichzeitig sollen Italien und Griechenland sogenannte Dublin-Fälle zurücknehmen.
Damit sind Asylbewerber gemeint, die zuerst in einem anderen Land – in diesem Fall Griechenland oder Italien – einen entsprechenden Antrag gestellt hatten, dann weitergereist sind und in Deutschland erneut Asyl beantragt haben.
Zwei Schönheitsfehler
Ja, die Einigung ist ein gutes Signal und nicht zuletzt dem Einsatz von Dobrindts Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und harten Verhandlungen zu verdanken. Doch die Nachricht hat zwei erhebliche Schönheitsfehler.
Erstens: Eigentlich gilt gemäß Dublin-System seit langem, dass Länder, in denen ein Antrag gestellt wurde, Antragssteller zurücknehmen müssen, sollten diese weiterreisen. Wie so vieles in der europäischen Migrationspolitik funktionierte das nicht. Die entsprechenden Länder weigern sich bislang. Verfahren sind extrem bürokratisch. Schlussendlich bleiben viele in Deutschland, die sich hier nicht aufhalten dürften.
Wenn nun gewissermaßen geltendes Recht wieder durchgesetzt werden sollte, wäre das erfreulich, aber kein Anlass zu jubeln.

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Zweitens: Der wahre Erfolg wird sich danach bemessen, wie viele Asylbewerber tatsächlich das Land verlassen und wie das System künftig gesteuert wird. Und da sind viele Details unklar. Die vermeintliche Einigung ist zunächst nicht mehr als eine Absichtserklärung. Wenn Dobrindt nun öffentlich auf die bislang nicht vorhandene Verlässlichkeit Italiens und Griechenlands vertraut, legt er die Messlatte für sich zu hoch.
Das Kernproblem des europäischen Asylsystems ist zudem eher, dass Jahr für Jahr Zehntausende in die EU einreisen, die gar kein Recht darauf haben, hierzubleiben, die aber dennoch nicht wieder ausreisen.
Nur wenn es tatsächlich gelingt, den Außengrenzschutz zu verstärken, seriöse Abkommen mit Drittstaaten zu schließen und die europäische Solidarität nachhaltig wieder aufleben zu lassen – und all das vor Gerichten Bestand hat – wären die aktuellen Ergebnisse ein guter Auftakt.
Sollten sich Dobrindts Versprechen als leer herausstellen, wäre das Wasser auf die Mühlen der AfD. Wie das laufen kann, zeigt sich teils schon in Sachen Grenzschutz: Dobrindt trat zu Beginn der schwarz-roten Regierung an, die deutschen Grenzen besser zu sichern, setzte auf verstärkte Polizeikontrollen. Die haben allerdings weniger dazu geführt, dass die Einreisezahlen sinken. Die Gründe dafür sind eher im Ausland zu finden.
Der Innenminister pokert also hoch. Und gleichzeitig droht dem Thema mittlerweile massiv Schlagseite. Denn Migration ist in Deutschland mittlerweile fast ausschließlich negativ besetzt. Wie müssen sich Menschen mit Migrationshintergrund dabei fühlen? Wie soll es in Sachen Arbeitsmigration weitergehen? Hilfreich wäre, der Minister nutzte seine Bühne auch dazu, das zu korrigieren.
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