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Politik: Ein Neuanfang (Kommentar)

Zwickel kommt. Alle kommen am Sonntag wieder brav zum Kanzler, denn der hat geredet, sondiert und eingeladen.

Zwickel kommt. Alle kommen am Sonntag wieder brav zum Kanzler, denn der hat geredet, sondiert und eingeladen. Die Bundesregierung redet von vorsichtigem Optimismus, und der gesunde Menschenverstand legt nahe, dass bei Gerhard Schröder keine Runde zum sonntäglichen Kaffeeklatsch zusammensitzen wird. Man wird sich nicht ohne Ergebnis trennen.

Denn ein Resultat brauchen nach dem kläglichen Verlauf des Bündnisses für Arbeit alle. Der Kanzler, der es zu Beginn seiner Regierungszeit ganz hoch gewichtet hat. Die Arbeitgeber und die Gewerkschaften, namentlich die IG Metall und ihr Vorsitzender, die vor einer heiklen Tarifrunde stehen. Die Meinungen zum Thema Rente mit 60 liegen bei diesen Akteuren so weit auseinander, wie es nur geht.

Doch gibt es ein gemeinsames unausgesprochenes Interesse: Niemand will, dass dieser Streitpunkt die Lohnauseinandersetzungen maßlos auflädt. Niemand, und vielleicht am wenigsten Klaus Zwickel. Tarifpolitische Kraftmeierei als Antwort auf die Arbeitgeber-Weigerungen bei der Rente mit 60 ist ein gefährliches Spiel, das seine Gewerkschaft am Ende isolieren könnte.

Die IG Metall hat sich in den letzten Monaten in dieses Projekt verrannt - nicht einmal die Gewerkschaften haben die Leidenschaft der Metaller in diesem Punkt geteilt. Aber wie es in der Politik eben gehen kann: Gerade aus der Schwäche einer Position kann eine Wagenburg-Mentalität entstehen, die immerhin die Kraft zur Blockade aufbringt. Das ist dem Bündnis für Arbeit passiert. Das Ergebnis, das Schröder und die Tarifpartner am Sonntag vermutlich präsentieren werden, wird deshalb wohl weniger ein konkretes Maßnahme-Paket als vielmehr ein Weg aus der Sackgasse sein, der es allen Beteiligten, vorrangig Zwickel, erlaubt, die Rente mit 60 als Hauptthema des Bündnisses zu erledigen und im übrigen gute Absichten für das kommende Jahr zu verkünden.

Im Grunde ist das eine Stunde Null für das Bündnis. So wie es einmal gemeint und eingefädelt war, hat es nicht funktioniert und wird es nicht weitergehen. Moderator wollte der Kanzler sein, zu dessen Grundausfassungen es gehört, dass Politik nicht alles kann. Das alte, den Deutschen vertraute Konsensmodell sollte der Rahmen und die Methode zur Bewältigung der Modernisierung sein, von der Schröder wusste, dass sie unumgänglich und nicht nur angenehm sein würde. Das Bündnis im Kanzleramt war dabei zugleich gedacht als ein Weg neben und zur Umgehung der SPD und ihres damaligen Vorsitzenden Oskar Lafontaine. Denn die hatten sich diesen Erkenntnissen weit weniger genähert als ihr Bundeskanzler.

Doch gerade in dieser Hinsicht ging das Bündnis gründlich daneben: Statt die Betonköpfe in allen Lagern - SPD, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden - durch vernünftige Gemeinsamkeiten zu bewegen und zu überzeugen, diente das Kanzleramt mit jedem Treffen mehr als Bühne des ganz gewöhnlichen Klassenkampfes. Hätten Arbeitgeber und Gewerkschaften einen besseren Rahmen für ihre schneidigen und überflüssigen Schlachten des letzten Jahres finden können? Neben den originären Themen des Bündnisses wurden auch alle anderen Streitfragen zum Gegenstand. Was immer der einen oder anderen Seite nicht passte, ob die 620 Mark-Jobs, der Atomausstieg oder die Öko-Steuer, alles taugte zumindest für die Drohung, das Bündnis einfach platzen zu lassen. Trotz bescheidener Fortschritte verfehlte das Bündnis deshalb seinen eigentlichen Zweck: der Gesellschaft zu zeigen, dass es gangbare Wege zur Veränderung gibt, die im einzelnen schmerzhaft, im ganzen aber austariert sind.

Weil Gerhard Schröder das Bündnis, den Runden Tisch, den Konsens von Anfang an und in hohen Tönen zu seinem Modell erklärt hat, wird er es weitermachen. Bei Licht besehen braucht er es nicht - nicht mehr. Der Kanzler hat gelernt: nicht nur, dass er die SPD direkt überzeugen, dass die Politik mit ihren Lösungen den Tarifparteien vorangehen muss. Er weiß inzwischen auch, dass die Sozialdemokratie zu bewegen ist, dass ein Sparhaushalt durchgesetzt, eine sozialdemokratische Unternehmenssteuer-Reform funktionieren könnte. Nützlich wäre es dennoch, wenn sich der Kanzler und die Tarifpartner zu einer Lohnpolitik mit einem festen Maßstab bekennen: mehr Beschäftigung.

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