zum Hauptinhalt

Politik: Ein neues Mandat?

Berlin - Wer Frank-Walter Steinmeier am Tag nach dem folgenschweren Anschlag auf die Bundeswehr in Baghlan im „Morgenmagazin“ zuschaut, der lernt vor allem, was der SPD-Fraktionschef jetzt nicht will – nämlich Mandatsdebatten führen. Er sei doch sehr dafür, sagt Steinmeier, dass alle kurz innehielten „und nicht so tun, als wüssten wir, was im Detail verändert werden muss“.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wer Frank-Walter Steinmeier am Tag nach dem folgenschweren Anschlag auf die Bundeswehr in Baghlan im „Morgenmagazin“ zuschaut, der lernt vor allem, was der SPD-Fraktionschef jetzt nicht will – nämlich Mandatsdebatten führen. Er sei doch sehr dafür, sagt Steinmeier, dass alle kurz innehielten „und nicht so tun, als wüssten wir, was im Detail verändert werden muss“. Nur eins, sagt der SPD-Mann, das sei klar: dass „die Weichen auf eine Beendigung gestellt werden müssen“.

Wer dann am Nachmittag Karl-Theodor zu Guttenberg hört, der lernt vor allem, was der Verteidigungsminister jetzt eher nicht will – nämlich Mandatsdebatten führen. Das Mandat sei richtig, zumal es schon „mit heruntergeschraubter Zielsetzung“ versehen sei: „Wir können gewisse Ziele in Afghanistan nicht erreichen“, sagt der CSU-Mann im usbekischen Termez. „Wir werden dort keine Westminster-Demokratie erreichen.“ Guttenberg ist auf dem Rückflug nach Deutschland, er begleitet die fünf Verletzten von Baghlan.

Aus dem vordergründigen Gleichklang zu schließen, der Ex-Außenminister und der amtierende Verteidigungsminister, Opposition und Regierung seien sich einig, ginge allerdings völlig an der Sache vorbei. Steinmeiers Parteichef Sigmar Gabriel hat schließlich nach dem letzten schweren Zwischenfall in Afghanistan eine Debatte darüber eröffnet, ob nicht für einen Einsatz, den Guttenberg und auch Kanzlerin Angela Merkel in Zusammenhang mit dem Wort „Krieg“ bringen, ein neues Mandat des Bundestags nötig wäre. Der Vorstoß blieb, auch weil ein Zusammenhang mit dem Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen schwer zu übersehen ist, ohne allzu starkes Echo.

Der neue Anschlag, wieder mit Toten und Schwerverletzten, könnte nun dieses Echo mit Verzögerung hervorbringen. Der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold, an sich ein Verteidiger des Einsatzes, fordert die Kanzlerin sicherheitshalber schon auf, ein klärendes Wort zum Wort „Krieg“ zu sprechen. Der SPD-Abgeordnete Peter Danckert, stets ein Gegner des Einsatzes, verlangt hingegen ein „ehrliches Bekenntnis“, wie er es versteht: „So, wie die Lage in Afghanistan derzeit eskaliert, kann man nur noch von einem Krieg sprechen. Alle anderen Formulierungen bagatellisieren die derzeitige Entwicklung. Das ist durch das Mandat des Bundestages zurzeit nicht gedeckt. Deshalb muss nun das Parlament darüber neu entscheiden, ob Deutschland an einem Krieg in Afghanistan teilnimmt.“

Mandatstechnisch ist das zwar kaum vorstellbar – außer in der Formel vom „Angriffskrieg“ im deutschen Grundgesetz ist der Begriff „Krieg“ aus der Sprache des Völkerrechts praktisch verschwunden. Aber politisch steckt in dem Ruf einige Brisanz. Guttenberg hat – Zufall oder nicht – das Wort am Freitag nicht benutzt, sondern sozusagen indirekt zitiert: „Wir müssen die Realitäten in Afghanistan offen benennen.“ Merkel hat klargestellt, dass sie sich auf Mandatsdebatten überhaupt nicht einlassen will: „Ich weiß, dass viele Menschen Zweifel haben, ob der Einsatz richtig ist“, sagte die Kanzlerin während ihres USA-Besuchs. „Doch ich will auch sagen, dass ich ganz bewusst hinter diesem Einsatz stehe, damit das Land stabilisiert wird und selbst für seine Verantwortung sorgen kann.“ Robert Birnbaum

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false