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Politik: Ein politischer Mord?

Welthungerhilfe zieht Mitarbeiter in Kabul zusammen / Auch Einschränkungen für übrige deutsche Helfer

Berlin - Der Mord an dem Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH) in Afghanistan, dem Bauingenieur Dieter Rübling, war nach Ansicht der Organisation möglicherweise politisch motiviert. Man habe nicht den Eindruck, dass es sich um einen einfachen Raubüberfall handele, sagte deren Regionalgruppenleiterin Zentralasien, Renate Becker, am Freitag in Berlin. Man müsse aber die Untersuchungsergebnisse der Sicherheitskräfte vor Ort abwarten. Die DWHH ist seit 1992 in Afghanistan, doch die Sicherheitslage hält Becker inzwischen für schlechter als zu Zeiten der Taliban oder der Mudschaheddin.

Der 65-jährige Rübling, der bereits in anderen Krisengebieten wie Somalia gearbeitet hat, war am Vortag auf dem Weg zu einem Hilfsprojekt in der nördlichen, als sicher geltenden Provinz Sar-e-Pul überfallen worden. Seine afghanischen Begleiter, zwei DWHH- Mitarbeiter und die Fahrer der zwei Mietwagen, wurden von den Tätern für ihre Arbeit bei einer westlichen Organisation beschimpft und weggeschickt. Rübling wurde erschossen, ein Arzt der internationalen Schutztruppe Isaf konnte nur noch den Tod feststellen. Die Täter stahlen zwei Mobiltelefone und etwas Bargeld, sagte Becker, ließen aber die Fahrzeuge stehen.

Acht Männer wurden inzwischen festgenommen. Der Gouverneur der Provinz Sar-e-Pul, Sajed Mohammad Ikbal Munib, der zunächst wie das afghanische Innenministerium von „bewaffneten Dieben“ gesprochen hatte, sagte der Deutschen Presse-Agentur, es scheine sich bei der Tat um einen „Terrorakt“ zu handeln. „Wenn sie sie nur hätten ausrauben wollen, warum hätten sie dann nur den Ausländer töten und dessen lokale Kollegen laufen lassen sollen?“

DWHH-Generalsekretär Hans-Joachim Preuß kündigte an, die 25 deutschen Mitarbeiter in Afghanistan würden jetzt nach Kabul berufen. Man wolle keine „Bauchentscheidung“ treffen, sondern nach sorgfältiger Analyse entscheiden, ob die Arbeit im Land weitergehe. Auch die etwa 100 deutschen Mitarbeiter in Projekten der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit würden bis auf weiteres keine Überlandfahrten machen, sagte der Sprecher des Entwicklungsministeriums in Berlin. Jetzt müssten die Hintergründe der Tat geklärt werden.

Nach Angabe des „Verbands Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen“ (Venro) arbeiten neben der DWHH derzeit noch rund zehn weitere deutsche Organisationen mit deutschen Mitarbeitern in Afghanistan. Jürgen Lieser von „Caritas International“, die mit vier Deutschen in Kabul vertreten ist, hält ein politisches Mordmotiv für möglich. Die Gewaltbereitschaft gegen westliche Helfer sei gestiegen, seine Organisation vermeide inzwischen Embleme an Fahrzeugen oder Häusern, um nicht identifiziert zu werden. Ein Problem wäre auch eine enge Zusammenarbeit mit den internationalen Sicherheitskräften, durch sie würden die Hilfsorganisationen „auch zur Zielscheibe“.

Andererseits sind Entwicklungsprojekte sogar im schwer umkämpften Süden möglich. Erst vor wenigen Tagen hat die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, GtZ, in der Nähe der Stadt Kandahar eine Straße fertig gebaut – ganz in der Nähe hat die Nato ihre Frühjahrsoffensive „Medusa“ gegen die Taliban gestartet. Solche Projekte, darauf weisen Entwicklungshelfer immer wieder hin, können aber nur funktionieren, wenn alle Gruppen der Bevölkerung darin miteinbezogen sind. Eine Politik, die auch die DWHH verfolgt.

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