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Politik: Ein Präsident für Afghanistan

Von Elke Windisch, Moskau Hamid Karsai, den die Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezember zum Interimspremier ernannt hatte, wurde am Donnerstag in Kabul auf der Loya Dschirga – der Großen Ratsversammlung – mit den Stimmen von 1295 der rund 1500 Delegierten zum Präsidenten gewählt. Läuft alles nach Plan, bleibt der 44-jährige Paschtune bis zu den freien Wahlen im Jahre 2004 im Amt.

Von Elke Windisch, Moskau

Hamid Karsai, den die Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezember zum Interimspremier ernannt hatte, wurde am Donnerstag in Kabul auf der Loya Dschirga – der Großen Ratsversammlung – mit den Stimmen von 1295 der rund 1500 Delegierten zum Präsidenten gewählt. Läuft alles nach Plan, bleibt der 44-jährige Paschtune bis zu den freien Wahlen im Jahre 2004 im Amt. Ebenso die Übergangsregierung, mit deren Wahl die Loya Dschirga am Freitag fortgesetzt wird. Neben Karsai wurden für die Wahl Massuda Dschalal, eine Mitarbeiterin des UN-Welternährungsprogramms, und Mir Mohammed Mahfus Nadai zugelassen. Dschalal erzielte mit 171 Stimmen einen Achtungserfolg, Mahfus Nadai bekam 89 Stimmen, beide lagen jedoch weit abgeschlagen hinter den 83 Prozent von Karsai zurück.

Ursprünglich sollten die Wahlen bereits am Mittwoch beginnen. Doch erst am Donnerstag, dem dritten Verhandlungstag, wurde sich die Dschirga über das eigene Präsidium einig. Doch die Zeit drängt: Das Mandat der Interimsregierung von Karsai läuft am 21. Juni aus. Beobachter machen für die Verzögerungen vor allem Einmischungsversuche Washingtons verantwortlich. Wegen dieser hatte am Dienstag eine Gruppe von rund 70 Delegierten die Tagung unter Protest verlassen. Vor allem Anhänger des Ex-Königs Sahir Schah, darunter der einflussreiche Paschtune Amanullah Sadran. Im gegenwärtigen Kabinett ist er für eines der sensibelsten Aufgabengebiete verantwortlich – für Grenzprovinzen und Stammesangelegenheiten. Dieses Ressort tangiert wegen des hohen paschtunischen Bevölkerungsanteils in Afghanistan die Interessen Pakistans. Das Verhältnis beider Länder ist auch nach dem Ende des Taliban-Regimes gespannt.

„Die meisten von uns sind wütend und fühlen sich an der Nase herumgeführt“, erklärte am Telefon ein Vertrauter des Ex-Königs dem Tagesspiegel den Boykott der Dschirga: Einige Minister seien während der Tagung zu ihnen gekommen und hätten gesagt, keiner solle sich Sorgen um die Wahl Karsais machen, denn den unterstütze seine Majestät. Sahir Schah, so der Vertraute, habe kein Recht gehabt, dem Votum der Dschirga zuvorzukommen. Die Entscheidungen würden nicht durch Abstimmung getroffen, sondern in Geheimverhandlungen. Schahs Verzichtserklärung sei unter Druck der USA und Großbritanniens zu Stande gekommen.

Immerhin hatte US-Sonderbotschafter Zalmay Khalilzad die Medien von Schahs Verzicht informiert, bevor der Monarch seine Erklärung abgeben und Ort und Zeit für eine Pressekonferenz nennen konnte. Die Amerikaner, sagt ein iranischer Diplomat, misstrauen den Afghanen derart, dass sie sogar Diskussionen auf der Dschirga unterbinden wollen – um Pannen zu verhindern. Sie hätten auch Innenminister Yunus Kanuni zum Rücktritt gezwungen, der dem Paschtunen Haji Qadir Platz machen soll. Der ist Minister für Städteplanung und Wohnungsbau und Gouverneur von Jalalabad. Er befehligt eine Privatarmee von 12 000 Kämpfern, die Washington in der Endphase des Kampfes gegen die Taliban aufgerüstet hat. Diskussionen über die Legitimität von Karsai und seiner Minister sind nach der Dschirga vorprogrammiert. Sie könnten schlimmstenfalls zu einer Neuauflage des Bürgerkriegs führen.

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