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Politik: Ein Präsident nach Putins Geschmack

Tschetscheniens Rebellen stehen nicht mehr hinter ihrem Chef Maschadow – zur Freude Moskaus

Tschetscheniens amtierender Parlamentschef Issa Temirow war sichtlich aufgeregt angesichts der historischen Mission, die er am Freitag zu erfüllen hatte: Die Volksvertreter, so gab Temirow im Blitzlichtgewitter der Fotografen bekannt, hätten Präsident Aslan Maschadow abgesetzt. Der Vorwurf lautet: schwere Verbrechen. Vor allem habe Maschadow mit der Einführung der Scharia, des islamischen Rechts, die verfassungsmäßige Ordnung umgestürzt.

Vor den Präsidentenwahlen in Tschetschenien am 5. Oktober also soll der Präsident gehen, den Moskau ohnehin nicht anerkannt hat und der vornehmlich vom Untergrund aus operiert. In der Tat fordert die Verfassung, die sich die Rebellenrepublik schon sieben Monate nach der Unabhängigkeitserklärung von Moskau im September 1991 gegeben hatte, die Trennung von Staat und Kirche. Auf sie hatte Maschadow nach freien Wahlen im Januar 1997 den Amtseid abgelegt. Parallel dazu wählte die Bevölkerung ein aus 49 Abgeordneten bestehendes Parlament. Von den 43 Volksvertretern, die den zweiten Krieg überlebten, votierte nur einer gegen die Absetzung Maschadows.

Das tschetschenische Verfassungsgericht habe die Rechtmäßigkeit des Absetzung Maschadows bereits bestätigt, sagte Parlamentschef Temirow. Vorausgegangen seien Konsultationen der Abgeordneten mit der Bevölkerung in allen Teilen der Republik. Der Absetzungsbeschluss, so Temirow, sei durch freie Willensäußerung zu Stande gekommen, niemand hätte auf die Abgeordneten Druck ausgeübt.

Was zu bezweifeln ist: Die Neuwahl eines Präsidenten am 5. Oktober geschieht gegen den Willen weiter Teile der Bevölkerung, die in Maschadow ihren legitim gewählten Vertreter sehen. Auch der Europarat hatte Moskau immer wieder zu Verhandlungen mit Maschadow gedrängt. Der Tschetschenienberater von Russlands Präsident Wladimir Putin, Sergej Jastrschembski, freute sich indes: Die Abwahl Maschadows werde sowohl die Entwicklungen in der Republik als auch die internationale Meinung günstig beeinflussen.

Zumal die bevorstehende Präsidentenwahl in Tschetschenien offenbar ganz im Sinne Putins laufen könnte. Der Favorit des Kremls, der gegenwärtige Verwaltungschef Ahmat Kadyrow, tritt inzwischen ohne ernsthafte Konkurrenz an: Tags zuvor nämlich hatte der tschetschenische Duma-Abgeordnete Aslambek Aslachanow einen Job als Putin-Berater für den russischen Süden angenommen und seine Kandidatur zurückgezogen. Dabei war zu seinen Gunsten erst ein paar Tage zuvor der Unternehmer Hussein Dschabrailow aus dem Rennen gegangen. Und am Donnerstagabend wurde mit dem Unternehmer Malik Sajdullajew wegen Formfehlern der letzte chancenreiche Herausforderer Kadyrows suspendiert. Die Hälfte der für ihn eingereichten Wählerunterschriften sei gefälscht gewesen, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Die übrigen etwa sieben Kandidaten sind in der russischen Bevölkerung so gut wie unbekannt und gelten als chancenlos.

Moskaus Genugtuung ist dennoch womöglich verfrüht. Laut tschetschenischer Verfassung rückt nach der Absetzung des Präsidenten der Vizepräsident auf – Wacha Arsanow, der zum radikalen Flügel der Separatisten gehört nach zahlreichen Entführungen und Fememorden fast so berüchtigt ist wie der Ober-Terrorist Schamil Bassajew. Vor allem aber: Wenn auch unfreiwillig, legalisiert Moskau mit der Anerkennung des Absetzungsbeschlusses die Machtinstitutionen der Rebellenrepublik und deren Verfassung, die Tschetschenien zum „gleichberechtigten Subjekt des Völkerrechts“ erklärt.

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