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Politik: Ein Premier gegen die Mafia

Die Revolte in einem kirgisischen Gefängnis ist weiterer Höhepunkt eines landesweiten Machtkampfes

Der Sturm endete blutig: Nach Meldungen russischer Nachrichtenagenturen starben vier Menschen, als Spezialeinheiten der Polizei eine seit Wochen andauernde Meuterei im kirgisischen Gefängnis 31 beendeten. Dutzende wurden dabei verwundet. In Bischkek, der Hauptstadt der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik, war dagegen von zwanzig Toten die Rede. Die Regierung wollte die Vorgänge nicht kommentieren. Unabhängige Beobachter warnten, die Lage in der Bergrepublik an der Grenze zu China gerate mehr und mehr außer Kontrolle.

In der Tat sind die jüngsten Unruhen mehr als eine Revolte von Gefangenen, die gegen unzumutbare Haftbedingungen protestieren. Sie sind vielmehr neuer Höhepunkt eines Machtkampfes. Mafia-ähnlich organisierte Clans hatten Anfang des Jahres die Massenproteste wegen Wahlfälschung angetrieben, die am 24. März zum Rücktritt von Präsident Askar Akajew führten. Diese Clans fordern nun immer aggressiver die Gegenleistung für ihren Anteil an der „Revolution der Tulpen“ ein – Teilhabe an der politischen Macht.

Störfaktor dabei ist vor allem Premier Felix Kulow. Er hat dem organisierten Verbrechen, das Wirtschaft und Finanzen Kirgisiens weitgehend kontrolliert, einen „kompromisslosen Kampf“ angesagt. In dem Zusammenhang wurden bereits mehrere Verfahren eröffnet, darunter auch gegen Ryschbek Akmatbajew, den Bruder des Abgeordneten Tynytschbek. Dieser hatte zu jenen vier Abgesandten gehört, die am 20. Oktober im Auftrag der Regierung mit den Meuterern im Gefängnis 31 verhandeln sollten. Die Unterhändler wurden bei den Verhandlungen jedoch gekidnappt und umgebracht.

Der Clan der Brüder wirft Premier Kulow vor, den Anschlag eingefädelt zu haben und verlangte über seine Anhänger im Parlament von Präsident Kurmanbek Bakijew Kulows Entlassung. Forderungen, denen Hunderte Demonstranten in Bischkek Nachdruck verliehen. In einem Zeltlager, wo es sogar Strom und Bio-Toiletten gibt, wollen sie den Ausgang der Untersuchungen abwarten, die seit Ende Oktober gegen Kulow laufen. Sollte dieser im Amt bleiben, droht der Süden, wo die „Revolution“ im März begann, und sich auch jetzt die Massen sammeln, mit einem zweiten Marsch auf Bischkek.

Staatsführung und Parlament, konterte der Regierungschef inzwischen, dürften sich auf keinen Fall vom organisierten Verbrechen die Spielregeln vorschreiben lassen. In der Tat dürften die Folgen weitreichend sein, sollte Präsident Bakijew wirklich auf Druck der Kriminellen Premier Kulow entlassen. Immerhin steht und fällt der Frieden in Kirgisien, ein durch den Nord-Süd-Konflikt de facto geteiltes Land mit der Machtaufteilung, auf die sich die Vertreter beider Landeshälften vor den Präsidentschaftswahlen im Juli mühsam geeinigt hatten: Bakijew steht für den Süden, Kulow für den Norden. Zerbricht diese Allianz, drohen Bürgerkrieg und womöglich die Teilung Kirgisiens.

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