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Politik: Ein Provinzskandal verfolgt den neuen Verkehrsminister

Als ein "altes Pfaffennest" beschrieb Johann Wolfgang von Goethe Trier im August 1792 in einem Brief. Die klerikale Aura umgibt die Bischofsstadt noch immer.

Als ein "altes Pfaffennest" beschrieb Johann Wolfgang von Goethe Trier im August 1792 in einem Brief. Die klerikale Aura umgibt die Bischofsstadt noch immer. Vor drei Jahren pilgerten 700 000 Gläubige zu dem als Gewand Christi verehrten "Heiligen Rock". Der als aufgeschlossen bekannte Trierer Bischof Hermann Josef Spital führte sie an. Aber ausgerechnet hinter den Mauern des Bischofssitzes geschahen Dinge, die nun die Stadt an der Mosel erschüttern.

Hans-Joachim Doerfert, ehemals rechte Hand des Bischofs in Sachen Finanzen, soll in seiner Funktion als Chef der Caritas Trägergesellschaft Trier (ctt) und als Vorsitzender des Fußball-Regionalligisten Eintracht Trier ein millionenschweres Korruptionsgeflecht gesponnen haben. Seitdem macht Trier Schlagzeilen. Der Koblenzer Oberstaatsanwalt Erich Jung sieht nämlich auch Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt in die Schmiergeld-Affäre verwickelt.

Caritas-Manager Doerfert sitzt seit vier Wochen in U-Haft. Der "Macher" hatte es geschafft, Fußballfans, Unternehmer, Politiker und den Trierer Oberhirten in seinen Bann zu ziehen. Wie durch ein Wunder hatte er in kurzer Zeit aus maroden Kliniken scheinbar gewinnträchtige Unternehmen gemacht. Und auch der Fußball-Regionalligist Eintracht Trier, der kurz vor dem Bankrott stand, schien seit der Präsidentschaft des Rechtsanwalts plötzlich im Geld zu schwimmen.

Dem Verein überließ die cct ein Darlehen in Höhe von 2,3 Millionen Mark. Durch angebliche Werbeverträge von ctt-Tochterunternehmen flossen über 1,6 Millionen Mark in den Verein. Auch der Ligakonkurrent 1. FC Saarbrücken wurde bedacht. 600 000 Mark überwies die ctt dem Klub. Im Gegenzug sollte der Verein in den Kliniken und Reha-Zentren der ctt sowohl "beratend als auch praktisch" tätig werden. So haben es jedenfalls der FC-Präsident, der heutige Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD), und sein Stellvertreter, der neue saarländische Innenminister Klaus Meiser (CDU), 1997 in einem Vertrag unterschrieben. Brisant ist auch eine 300 000-Mark-Zahlung der ctt an die Werbeangentur HDW, angeblich auf Initiative von Klimmt. Die Agentur hatte den SPD-Wahlkampf im Saarland organisiert.

Laut Klimmt ist das Geld als Sponsoring für die Ausstellung "prometheus, menschen, bilder, visionen" im alten Völklinger Stahlwerk geflossen. Die Staatsanwaltschaft prüft indes, ob die ctt-Zahlungen die Politiker dazu bewegen sollten, den Bettenabbau bei zwei ctt-Kliniken im Saarland zu stoppen. Gegen Klimmt wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit sowie der Beihilfe und Anstiftung zur Untreue ermittelt. Wie Meiser weist Klimmt die Vorwürfe als "baren Unsinn" und "absolut haltlos" zurück.

Der Machtmensch Doerfert war in Trier gefeiert und verehrt worden. Vereinzelte Kritiker bezeichnete der 55-Jährige selbstgefällig als "Fabulanten" und sprach ihnen mangelnden Intellekt zu. Der Bischof wusste um die Furcht des Klinikpersonals vor den rüden Geschäftsmethoden des oft jähzornigen und als hart geltenden Managers. Doerfert kürzte ohne Ankündigung das Urlaubsgeld des Personals, drohte immer wieder mit massenhaften Kündigungen und feuerte unliebsame Angestellte. Doch der Bischof war offenbar geblendet von den Ergebnissen, die ihm sein Finanzberater regelmäßig präsentierte. Hermann Josef Spital sagt: "Ich schätzte Herrn Doerfert als einen Mann, dem ich vertrauen konnte. Deshalb habe ich auch trotz aller Anfeindungen und menschlicher Unzulänglichkeiten an ihm festgehalten. Ich habe niemanden gekannt, dem ich diese Aufbauleistung zugetraut hätte."

Genau hinschauen wollte bei den wundersamen Entwicklungen in Caritas und Fußballverein offensichtlich keiner. Man war froh, sich mit den Details nicht näher beschäftigen zu müssen. "Es ist mir nicht leicht gefallen, mein Urteil über diesen Mann, dem ich so viel anvertraut habe, so tiefgreifend revidieren zu müssen", sagte Bischof Hermann-Josef Spital verbittert in der "schwersten Pressekonferenz" seiner 20-jährigen Amtszeit. Der Bischof übt die Rechtsaufsicht über die laut Satzung gemeinnützige ctt aus.

Noch eine Woche zuvor hatte Spital dem Caritas-Manager sein Vertrauen ausgesprochen und dessen große Verdienste um die Modernisierung und Sicherung des kirchlichen Krankenhauswesens gelobt. Auch der Vorstand von Eintracht Trier schwor bei jeder Gelegenheit Treue zu Doerfert, der noch heute Präsident des Fußballklubs ist. Nur die Politiker, mit denen der frühere Schatzmeister der Trierer CDU reichlich Kontakt pflegte, bewahrte der gute Instinkt vor solchen Peinlichkeiten. Sie hielten sich mit Aussagen über Doerfert vornehm zurück.

Einen Monat nach der Verhaftung des Caritas-Managers erweisen sich dessen Unternehmungen als Luftschlösser. Kirche und Fußballverein stehen vor einem Desaster: Um die Arbeit der 9000 Beschäftigten bei den 42 Einrichtungen der ctt zumindest bis Jahresende zu sichern, genehmigte das Kirchensteueramt eine Finanzspritze des Bistums in zweistelliger Millionenhöhe.

Bei Eintracht Trier führt inzwischen ein Insolvenzverwalter die Geschäfte. Die Bezahlung der Spieler übernimmt derzeit das Arbeitsamt. Geschätzter Schuldenberg: sechs Millionen Mark. Auf mehrere Millionen schätzt Oberstaatsanwalt Erich Jung auch den Schaden, den Doerfert bei der ctt, deren Tochtergesellschaften Klinik Rose AG und der Ärztliche Abrechungsstelle Trier (ÄAT) angerichtet haben soll. Zudem haften die Unternehmen für dubiose Bürgschaften und Darlehen von 60 Millionen Mark.

Von privaten Kontakten mit Doerfert will niemand mehr etwas wissen. Pikiert wehrte sich der Trierer Oberhirte gegen die landläufige Auffassung, er sei ein Skatbruder von Doerfert gewesen. Die Kontakte des CDU-Mitglieds drohen zum Politikum zu werden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Peter Rauen, bemüht sich eifrig zu zeigen, dass seine Beziehungen zum langjährigen Weggefährten rein geschäftlicher Natur waren. Rauens Baufirma in Salmtal hatte neben einem Groß-Auftrag der ctt auch den Zuschlag für den Bau der Privat-Villa Doerferts erhalten. Als der rheinland-pfälzische Landtag auch nach Verbindungen des CDU-Landeschefs Christoph Böhr zu Doerfert suchte, witterte dieser eine von der SPD inszenierte Schlammschlacht.

Im Auftrag des Bistums untersucht die Frankfurter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG derzeit die komplizierten Verflechtungen der ctt. Soviel scheint sicher: Mit der Klinik Rose Aktiengesellschaft machte Doerfert seit 1996 bundesweit dubiose Geschäfte. Dabei trat die Bayerische Beamten-Versicherung in der Regel als Investor und die Klinik Rose als Mieter auf. Im Visier der Staatsanwaltschaft stehen der Kauf des Herzzentrums in Cottbus, der Bau des Parkhotels im saarländischen Weiskirchen und Immobiliengeschäfte in Sindelfingen und Bad Krotzingen. Die Verbindungen erstreckten sich bis nach Gibraltar und ins Tessin. Dabei flossen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft "Beraterhonorare" in Millionenhöhe in Doerferts eigene Tasche.

Das Bistum Trier ist bemüht, den Schaden zu begrenzen. Bischof Spital hat die Ärmel hochgekrempelt. "Ich werde die Suppe, die ich mir eingebrockt habe, nun auch auslöffeln", sagte er. Zunächst soll die umstrittene Kooperation zwischen ctt und Klinik Rose AG entflochten werden. Doch Bistums-Justitiar Peter Schuh ist klar: "Wenn ein Teil fällt, bricht das gesamte Unternehmen zusammen." So baut die Klinik Rose AG mit finanzieller Unterstützung des Bistums in der Trierer Innenstadt munter das Großraumkino Cinemaxx weiter.

Ziel der Gründung der Klinik Rose AG war es, mit dem Aktienkapital Geschäfte zu machen, die für die gemeinnützige und kirchlich ausgerichtete ctt unmöglich sind. Von der Brisanz solcher Machenschaften will der Bischof nichts gewusst haben: "Schließlich bin ich Seelsorger und kein Betriebswirt." Und als Seelsorger konnte Spital auch schon in der Doerfert-Affäre aushelfen: Das frühere ctt-Vorstandsmitglied Bernhard Veit legte bereits seine Beichte beim Bischof ab.

Ansgar Zender

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