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Politik: Ein Referendum ganz allein für Präsident Bouteflika - die Menschen sollen für Frieden stimmen, doch das reicht nicht aus

"Stimmen Sie dem Versuch des Präsidenten zu, Frieden und zivile Eintracht wiederherzustellen?" Diese simple Frage des Referendums am 16.

"Stimmen Sie dem Versuch des Präsidenten zu, Frieden und zivile Eintracht wiederherzustellen?" Diese simple Frage des Referendums am 16. September wird eine große Mehrheit des algerischen Volkes mit "Ja" beantworten können. Wer ist schon gegen den Frieden in diesem Land, das seit sieben Jahren im Bürgerkrieg versinkt? Ein Krieg, der das Land gespalten, wirtschaftlich ruiniert und die 30-Millionen-Bevölkerung unendlich terrorisiert hat.

Die Menschen ersehnen den Frieden. Anhänger des Regimes wie der ehemals größten, seit 1992 verbotenen Oppositionsbewegung "Islamische Heilsfront" gleichermaßen. Sie sind es leid, ständig in Angst leben zu müssen. In Angst vor Bomben und Überfällen islamistischer Extremisten sowie vor Willkür und Rachefeldzügen der staatlichen Sicherheitskräfte.

Doch klar ist auch, dass allein diese Volksabstimmung dem Land nicht den gewünschten Frieden bringt. Die Anschläge der obskuren "Bewaffneten Islamischen Gruppen" (GIA) gehen weiter, allein im August wurden wieder mehrere Hundert Menschen bei Massakern und Terroranschlägen getötet.

Westliche Diplomaten sprechen davon, dass dieses Referendum vor allem dem algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika nutzen wird. "Er sucht mit dem Referendum jene Legitimität, die er in der Wahl im April nicht bekam." Damals ließ sich Bouteflika als Kandidat der staatstragenden Parteien zum Präsidenten küren.

Die sechs Gegenkandidaten aus den Reihen der legalen Opposition hatten sich kurz vor der Wahl zurückgezogen - aus Protest gegen offensichtlichen Wahlbetrug. Mit dem kommenden Referendum wolle Bouteflika nun vor allem seine eigene Position stärken.

Ähnliches hatte auch sein Vorgänger Liamine Zeroual versucht. General Zeroual hatte sich 1995 zum Präsidenten wählen lassen - auch seine Wahl wurde von der Oppositon boykottiert und später angezweifelt. Ein Jahr darauf rief Zeroual das Volk erneut an die Urnen und ließ über Verfassungsreformen abstimmen, die vor allem seiner Machtabsicherung dienten. Natürlich erhielt er eine große Mehrheit, und natürlich war wieder von Betrug die Rede.

Man kann daraus den Schluss ziehen, dass der Aussagewert algerischer Wahlgänge relativ gering ist. Die oppositionellen Sozialisten bezeichnen auch das Referendum am 16. September als "Maskerade".

"Das Volk hat schlechte Erfahrungen gemacht mit der Politik", raunen hinter vorgehaltener Hand selbst algerische Parlamentarier. Das Volk, so heißt es, stehe jeglichen Urnenbefragungen inzwischen ziemlich gleichgültig gegenüber. Doch bei allen Zweifeln müssen auch die Pessimisten einräumen, dass sie von Bouteflikas Taten zumindestens positiv überrascht sind.

Der neue Präsident bezeichnete den Putsch von 1992, als das Militär den sicheren Wahlsieg der Islamisten verhinderte, als "gewaltsamen Akt", der den Bürgerkrieg anfachte. Und Bouteflika gab erstmals öffentlich zu, dass es schon über 100 000 Tote im algerischen Bürgerkrieg gegeben hat. Allein für diese Offenheit muss man ihm dankbar sein.

Er erstaunte auch noch durch ein Amnestiegesetz, für all jene im Untergrund agierenden Islamisten, "die kein Blut an den Händen haben". Rund 2500 politische und gewöhnliche Häftlinge kamen frei, Zigtausende Islamisten sitzen hingegen weiter in Haft, genauso wie ihre Führer.

Oppositionskreise bezeichnen die Amnestie deswegen als "Kosmetik". Zumal Bouteflika bekräftigte, daß die Heilsfront weiter verboten und der Notstand, der Polizei- und Militärbefugnisse unermesslich ausdehnt, in Kraft bleibt. Doch dann kam ein weiterer Paukenschlag: Bouteflika entließ gleich 22 Provinzverwaltungsfürsten, denen er Inkompetenz und Korruption vorwarf.

Erste Reformschritte, weitere sollen folgen. "Der Staat muß sich einer Revision unterziehen", bekräftigt Bouteflika in seiner Referendumskampagne, und zwar "in Politik und Wirtschaft". Dies lässt auf weitere Überraschungen des Präsidenten hoffen.

Ralph Schulze

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