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Das Foto zeigt das Whistleblower-Dokument.

© Eva Hambach / AFP

„Ein Risiko für die nationale Sicherheit“: Das sind die brisantesten Passagen des Whistleblower-Dokuments

Das Schreiben des anonymen Whistleblowers liest sich wie ein Thriller. Wir dokumentieren die wichtigsten Aussagen. Sie belasten Trump schwer.

Der Geheimdienst-Ausschuss des US-Repräsentantenhauses hat die interne Beschwerde des Whistleblowers in der Ukraine-Affäre veröffentlicht. In dem Dokument verweist der Whistleblower darauf, er sei von mehreren US-Regierungsvertretern darauf hingewiesen worden, dass Donald Trump über sein Büro versucht habe, die Ukraine zur Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2020 zu bewegen. Der Präsident habe so die nationale Sicherheit gefährdet.

Der Bericht dreht sich unter anderem um ein Telefonat vom 25. Juli zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er untermauert - in den vergangenen Tagen laut gewordene - Vorwürfe gegen Trump, die dazu führten, dass die Demokraten die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten prüfen.

Wir dokumentieren die wichtigsten Passagen des Dokuments. Im Original finden Sie es unter diesem Link als PDF.

Was das Dokument so brisant macht:

Der Whistleblower erklärt in dem Dokument, er habe von mehreren US-Regierungsbeamten Informationen erhalten, dass Trump seine Macht dazu nutze, eine Einmischung eines fremden Landes in die US-Wahlen zu bewirken. Konkret sollte der neue Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, Untersuchungen über Joe Bidens Sohn veranlassen.

Donald Trumps Anwalt, der frühere New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, sei dabei eine zentrale Figur, heißt es. Der US-Generalstaatsanwalt William Barr scheine ebenfalls beteiligt zu sein.

In den letzten vier Monaten, so schreibt der Whistleblower in dem Dokument, hätten ihn mehr als ein halbes Dutzend US-Beamte über Fakten und Vorgänge in diesem Zusammenhang informiert. Er sei nicht Zeuge der meisten beschriebenen Ereignisse gewesen. Er halte die Berichte seiner Kollegen aber für glaubwürdig. Aus seiner Sicht stellten die Handlungen ein Risiko für die nationale Sicherheit der USA dar.

Über das Telefonat zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten heißt es in dem Dokument:

"Mehrere Beamte des Weißen Hauses, die direkt von dem Anruf wussten, informierten mich, dass der Präsident nach einem ersten Austausch von Höflichkeiten den Rest des Anrufs zur Förderung seiner persönlichen Interessen verwendete. Er versuchte die ukrainische Führung dazu zu drängen, Maßnahmen zu ergreifen, um dem Präsidenten bei der Wiederwahl 2020 zu helfen.“

Laut Mitarbeitern des Weißen Hauses, die den Inhalt des Telefonats aus erster Hand kannten, drängte der US-Präsident Selenskyj dazu

- eine Untersuchung der Aktivitäten des ehemaligen Vizepräsidenten Joseph Biden und seines Sohnes, Hunter Biden, einzuleiten oder fortzusetzen.

- bei der Aufdeckung zu helfen, dass die Behauptungen über eine russische Einmischung bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 ihren Ursprung in der Ukraine habe, mit der ausdrücklichen Bitte, dass der ukrainische Präsident die vom Demokratischen Nationalkomitee (DNC) genutzten und von der US-amerikanischen Cybersicherheitsfirma Crowdstrike geprüften Server lokalisiert und übergibt, die ursprünglich berichteten, dass russische Hacker im Jahr 2016 in die Netzwerke der DNC eingedrungen seien.

- und zwei Personen zu treffen oder mit ihnen zu sprechen, die der Präsident ausdrücklich als seine persönlichen Gesandten in diesen Angelegenheiten benannt hat, Herrn Giuliani und Generalstaatsanwalt Barr.

Der Präsident lobte auch den ukrainischen Generalstaatsanwalt Jurij Lutsenko und schlug vor, dass Herr Selenski ihn in seiner Position halten möge. […] Die Beamten des Weißen Hauses, die mir diese Informationen berichteten, waren von dem Telefonat und seinem Inhalt äußerst verstört. Sie sagten mir, dass bereits eine "Diskussion im Gange" mit den Anwälten im Weißen Haus sei, wie man den Anruf umgehe, wegen der Wahrscheinlichkeit, dass sie miterlebt hatten, wie der Präsident sein Amt zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht habe."

Was getan wurde, um den Inhalt des Telefonats geheim zu halten

"In den Tagen nach dem Telefonat erfuhr ich von mehreren US-Beamten, dass hochrangige Beamte des Weißen Hauses eingegriffen hatten, um alle Aufzeichnungen des Telefonats zu sperren, insbesondere die offizielle wortwörtliche Abschrift des Anrufs.

Beamte des Weißen Hauses erklärten mir, dass sie von den Anwälten des Weißen Hauses angewiesen wurden, das elektronische Transkript aus dem Computersystem zu entfernen, in dem solche Transkripte typischerweise für die Koordination, Fertigstellung und Verteilung auf Beamte auf Kabinettsebene gespeichert werden.

Stattdessen wurde das Transkript in ein separates elektronisches System geladen, das ansonsten zur Speicherung und Verarbeitung von besonders sensiblen Verschlusssachen dient. Ein Beamter beschrieb diese Tat als Missbrauch des elektronischen Systems, da der Anruf nichts enthielt, was aus Sicht der nationalen Sicherheit aus der Ferne empfindlich war."

Was nach dem Telefongespräch zwischen Trump und Selenski passierte: 

"Am 26. Juli, einen Tag nach dem Aufruf, besuchte der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine-Verhandlungen Kurt Volker Kiew und traf sich mit Präsident Selenskyj und einer Reihe ukrainischer Politiker. 

Botschafter Volker wurde bei seinen Treffen vom US-Botschafter bei der Europäischen Union Gordon Sondland begleitet. Basierend auf mehreren Mitschriften dieser Treffen, über deren Inhalt mir von verschiedenen US-Offiziellen berichtet wurde, gaben die Botschafter Volker und Sondland der ukrainischen Führung Ratschläge, wie sie mit den Forderungen, die der US-Präsident an Herrn Selenski gestellt hatte, am besten umgehen könnten.

Ich habe auch von mehreren US-Offiziellen erfahren, dass Herr Giuliani am oder um den 2. August herum angeblich nach Madrid gereist ist, um sich mit einem Berater von Präsident Selenskyj zu treffen. Die Offiziellen bezeichneten dieses Treffen, über das damals nicht öffentlich berichtet wurde, als "follow up" zu dem Telefonat zwischen dem Präsidenten und Herrn Selenskyj über die von ihnen diskutierten "Fälle".

- Unabhängig davon teilten mir mehrere Offizielle mit, dass Herr Giuliani sich angeblich privat an mehrere Berater von Selinskyj gewandt habe, darunter dessen Stabschef Andriy Bohdan und den stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsdienstes der Ukraine Ivan Bakanov.

- Ich weiß nicht, ob sie sich mit Herrn Giuliani getroffen oder besprochen haben, aber mir wurde von mehreren Offiziellen zugetragen, dass Herr Yerrnak und Herr Bakanov beabsichtigten, Mitte August nach Washington zu reisen.

Am 9. August sagte der Präsident den Reportern: "Ich denke, dass [Präsident Selinskyj] einen Deal mit Präsident Putin abschließen wird und er ins Weiße Haus eingeladen wird. Und wir freuen uns auf ihn. Er wurde bereits ins Weiße Haus eingeladen, und er will kommen. Und ich denke, das wird er. Er ist ein sehr vernünftiger Kerl. Er will Frieden in der Ukraine, und ich denke, er wird ihn bald kommen."

Über den Umgang mit der Mitschrift des Telefonats zwischen Selenski und Trump:

"Laut Angaben mehrerer Mitarbeiter aus dem Weißen Haus, ist die Abschrift des Telefonats zwischen dem Präsidenten und Präsident Selinskyj in Computersystem eingegeben worden, das direkt dem National Security Council (NSC) untersteht (Anm. d. Red.: Der NSC berät den Präsidenten in außenpolitischen Fragen).

Dies ist ein eigenständiges Computersystem, das für Informationen auf Codewort-Ebene reserviert ist, wie z.B. verdeckte Aktionen. Laut Informationen, die ich von Mitarbeitern aus dem Weißen Haus bekommen habe, haben einige Mitarbeiter im Weißen Haus intern ihre Befürchtung geäußert, dass dies ein Missbrauch des Systems sei und nicht im Einklang mit den Verantwortlichkeiten der Direktion für Intelligenzprogramme stehe.

Laut Mitarbeitern des Weißen Hauses war es nicht das erste Mal, dass eine Abschrift des Präsidenten in dieses System gestellt wurde; nicht mit dem Ziel, sicherheitstechnisch wichtige Informationen zu schützen, sondern politisch sensibles Material zu schützen." 

Über die Androhung, der Ukraine die Militärhilfe zu entziehen: 

"Am 18. Juli informierte ein Mitarbeiter des Office of Management and Budget (OBM) (zu deutsch in etwa das Amt für Verwaltung und Haushaltswesen) Abteilungen und Agenturen, dass der Präsident "Anfang des Monats" angewiesen habe, die gesamte US-Sicherheitshilfe für die Ukraine auszusetzen. Weder OMB noch die Mitarbeiter des NSC wussten, warum diese Anweisung erteilt wurde. Bei behördenübergreifenden Treffen am 23. Juli und 26. Juli, erklärten OMB-Offizielle erneut ausdrücklich, dass die Anweisung, diese Unterstützung auszusetzen, direkt vom Präsidenten gekommen sei. Über eine Begründung wussten sie immer noch nichts. Anfang August hörte ich von Offiziellen der US-Administration, dass manche Offizielle auf ukrainischer Seite sich bewusst waren, dass die US-Hilfe in Gefahr sein könnte…" 

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