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Die Tür ist zu.

© Mike Wolff, TSP

Ein Satz, den wir nicht mehr hören wollen: "....weil nicht alle Gesundheitsämter an Wochenenden arbeiten"

Zur Rhetorik der Pandemie gehören echte Dauerbrenner, etwa rund um die Zahlen des RKI an Sonntagen. Das weist auf ein deutsches Unglücksprinzip hin. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ariane Bemmer

Es ist ein über Funk und Fernsehen verbreiteter Satz, der so regelmäßig ertönt, dass er inzwischen regelrechte Überhörreflexe auslöst. Ein Satz wie der von Sonntagen und Mittwochen, dass die Angaben zu den Lottozahlen „wie immer ohne Gewähr“ seien. Oder wie der von allen Tagen, dass man zu Risiken und Nebenwirkungen beworbener Medikamente seinen Arzt oder Apotheker befragen möge.

Der Satz, der vor ziemlich genau einem Jahr in diese Reihe vorgestoßen ist, wird an Sonntagen und Montagen verbreitet, und er weist darauf hin, dass die vom Robert-Koch-Institut gemeldeten Fallzahlen zu Corona-Neuinfektionen an Wochenenden geringer ausfallen, „weil an Wochenenden nicht alle Gesundheitsämter“ arbeiteten und Daten weitergäben.

Der Satz gehört so oder ähnlich ausformuliert inzwischen zwei Mal pro Woche zu den Standardfloskeln der Nachrichten, und jedes Mal ist es – und das macht den Unterschied zur Lotto-Gewähr und den Risikenebenwirkungen aus – ein Stich ins Herz all jener, die nicht glauben wollen, dass ihr sonst immer höchst vorbildliches Deutschland demnächst die rote Corona-Laterne trägt.

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Die nämlich fragen sich: Ja, kann und darf es denn die Wahrheit sein? Zwölf Monate lang Pandemie, Krisensitzungen, Krankenhäuser am Limit, Lockdowns für alle, Ausgangssperren, Tote und Totengedenktage und sonstiges Schlimmes mehr – und noch immer arbeiten die Gesundheitsämter, Seuchenabwehrstelle Nummer 1, an Wochenenden nicht? Und wenn es denn so ist: Will das jemand zweimal pro Woche mitgeteilt bekommen?

Auch in den Ferien nun halbrichtige Zahlen

Wer jetzt mit dem Kopf schüttelt, hat Pech, denn zuletzt wurde die Unzuverlässigkeitsanzeige für die Ämter noch ausgeweitet. Von den meldefreien zwei Wochenendtagen steigerte man sich zu vier Osterfeiertagen, und zuletzt hieß es, dass wegen der noch laufenden Osterferien nur Zahlen genannt werden könnten, die das Infektionsgeschehen ungefähr abbilden. Geändert wird also die Präsentation, nicht das Problem. Und so kondensiert in der Standard gewordenen Nachrichtenfloskel aus dem RKI-Universum das deutsche Dilemma: Dass man, statt einen Mangel abzustellen, Rituale etabliert, die ihn überdecken, als würde das dazu führen, dass er irgendwann gar nicht mehr als Mangel erkannt wird. Von wegen! Besser wäre, an Sonn- und Montagen ab sofort gar keine Zahlen mehr zu verlesen. Vermissen wird sie keiner. Aber diese Angabe ist natürlich ohne Gewähr.

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