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Politik: Ein Schritt vor, und zwei Schritte zurück

Istanbul - Die Regierung in Ankara spricht von einer gelungenen Balance zwischen Gefahrenabwehr und Freiheitsrechten – Kritiker warnen vor einem Rückfall in dunkle Zeiten: Das geplante neue Anti-Terrorgesetz der Türkei entzweit die Nation. Rechtstaatliche Normen würden nicht angetastet, beteuerte Justizminister Cemil Cicek, als er das vom Kabinett bereits beschlossene Gesetz vorstellte.

Istanbul - Die Regierung in Ankara spricht von einer gelungenen Balance zwischen Gefahrenabwehr und Freiheitsrechten – Kritiker warnen vor einem Rückfall in dunkle Zeiten: Das geplante neue Anti-Terrorgesetz der Türkei entzweit die Nation. Rechtstaatliche Normen würden nicht angetastet, beteuerte Justizminister Cemil Cicek, als er das vom Kabinett bereits beschlossene Gesetz vorstellte. Die vielen drastischen Vorschriften darin wecken aber Zweifel.

Mit dem Gesetz will Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach den jüngsten Kurdenunruhen der Rebellengruppe PKK das Leben schwerer machen und Stärke zeigen: Kurz vor dem Wahljahr 2007 möchte Erdogan mit Blick auf das große rechtsnationale Wählerpotenzial jeden Eindruck vermeiden, im Kurdenkonflikt auf Weichspülerlösungen zu setzen. Dabei riskiert er, dass die demokratischen Errungenschaften des türkischen EU-Prozesses geopfert werden.

Das neue Gesetz, das in den kommenden Wochen vom Parlament verabschiedet werden soll, sieht Gefängnisstrafen für Geldgeber der PKK vor und stuft sogar das Zeigen von Emblemen der Kurdengruppe bei Demonstrationen als Terrordelikt ein. Das Tragen von PKK-Fahnen und -Postern, die in den vergangenen Jahren von der türkischen Polizei geduldet wurden, kann künftig mit mehreren Jahren Haft geahndet werden. Zudem wird ein Vermummungsverbot eingeführt.

Während die Regeln für den Schusswaffeneinsatz der Sicherheitskräfte gelockert werden, sieht das Gesetz Einschränkungen bei den Verteidigerrechten im Falle eines Terrorverdachts vor. Selbst Kreditkartenbetrug, Prostitution, Drogenschmuggel, Menschenhandel und andere Kriminalvergehen sollen als Terrordelikte geahndet werden können. „Jeder kann als Terrorist gelten“, kritisiert der Rechtsanwalt Erdal Dogan.

Türkische Menschenrechtler kritisieren das neue Gesetz als völlig unannehmbare Beschneidung der Freiheitsrechte, und auch die reformorientierte Presse beklagt, die Türkei befinde sich auf dem Rückweg in die Zeiten des Kriegsrechtes. Noch scheint das letzte Wort über das Gesetz aber nicht gesprochen zu sein. Regierungsvertreter zeigten sich offen für Nachbesserungen, zumal es selbst in den Reihen der Regierungspartei AKP Widerstand gegen einige Regelungen gibt.

Proteste aus Europa dürften die Türken dagegen kalt lassen. Die Erdogan-Regierung ist von den Europäern enttäuscht, weil türkische Forderungen in Sachen Terrorbekämpfung in den EU-Hauptstädten kaum beachtet werden.

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