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Politik: Ein tiefes, tiefes Loch

Union und SPD suchen nach einer Lösung für den Haushalt – als erstes geht es um die Mehrwertsteuer

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die Mehrwertsteuer wird erhöht. Darüber gibt es im Augenblick keinen Zweifel im Verhandlungskreis für die große Koalition von SPD und Union – auch wenn die SPD-Oberen an diesem Montag noch einmal die Konjunkturschädlichkeit einer Erhöhung der Mehrwert- oder Umsatzsteuer betonen. In den sozialdemokratischen Fluren im Bundestag wird offen darüber gesprochen, dass man ohne die Erhöhung nicht auskommen wird. Und auch die Schweigsamkeit der Unionsgranden am Montagvormittag konnte darüber nicht hinwegtäuschen. CDU-Generalsekretär Volker Kauder nannte vorsichtig die letzte Verhandlungswoche, also Anfang November, in der man mit der SPD über das sperrige M-Thema sprechen will.

Noch bevor die große Koalitionsgruppe am Montagabend zum zweiten Mal zusammenkam, deutete sich auf beiden Seiten ein gemeinsames Ziel an: die Konsolidierung des Haushaltes. Das Maastricht-Kriterium einer Neuverschuldung von maximal drei Prozent soll 2007 auf jeden Fall eingehalten werden, hieß es in beiden Lagern. Wenigstens das wolle sich die große Koalition nicht vorhalten lassen: Dass sie nicht in der Lage sei, zu sparen.

Um dieses gemeinsame Ziel festzuklopfen, scheinen beide Partner eigene politische Forderungen aus dem Wahlkampf hintanstellen zu wollen. Das gilt für die Mehrwertsteuererhöhung, die die SPD verhindern wollte, und auch die Steuertarifsenkung, die die Union ihren Wählern versprochen hat. „Sehr schwierig“, sei die Haushaltslage, sagte Volker Kauder vor Beginn der Koalitionsverhandlungen. Und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprach von „Angststarre“, die sich bei den Verhandlern breit machen würde, wenn sie erst die Tiefe des Haushaltsloches ermessen hätten. Letzte Woche hatten sich Koch und sein SPD-Gegenüber, der designierte Finanzminister Peer Steinbrück, darauf verständigt, dass das strukturelle Defizit des Bundes 50 Milliarden Euro beträgt. Rund 35 Milliarden Euro müssen deshalb innerhalb der Koalitionsverhandlungen an Einsparungen und Steuererhöhungen festgelegt werden. Koch sprach von „Heulen und Zähneklappern“ im Konrad-Adenauer-Haus, dem Ort des Treffens der großen Verhandlungsrunde.

Das Kalkül der Haushälter und Finanzpolitiker ist klar: Sie wollen ihren jeweiligen Lagern signalisieren, dass man eine Herkulesaufgabe bei der Haushaltssanierung vor sich hat. Jeder kleine Schritt wird dann wie ein großer Sieg gefeiert werden können, Sparmaßnahmen werden weniger grausam erscheinen, selbst der Mehrwertsteuererhöhung wird die Empörungsspitze abgeknickt. „Für große Sprünge gibt es wenig Platz“, intonierte Kauder die Marschroute vor Sitzungsbeginn. Und aus beiden Lagern war zu hören, dass alle Arbeitsgruppen verpflichtet werden, jedem ausgabewirksamen Beschluss auch eine konkrete Finanzierungsidee beizufügen. Darüber hinaus muss das Gremium in den nächsten drei Wochen das Kunststück fertig bringen, einen zweistelligen Milliardenbetrag (die Rede ist von 15 Milliarden Euro) im Bundesetat 2006 zu kürzen, ohne die Öffentlichkeit in Wut und Widerstand zu versetzen.

Die Finanzexperten werden ihre Gespräche in dieser Woche am Mittwoch und Freitag fortsetzen. Erwartet werden allerdings erst einmal Verhandlungen zur Steuerreform. Wobei es dabei zum großen Streit wohl nicht kommen wird, weil beide Seiten klar gemacht haben, dass sie die Körperschaftsteuer senken und den niedrigeren Steuersatz auch Personengesellschaften öffnen wollen. Unterschiedliche Auffassungen gibt es allenfalls über technische Fragen dieser steuerpolitischen Schritte und die Einzelheiten der Gegenfinanzierung der Körperschaftsteuersenkung.

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