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Politik: „Ein unerträgliches Leben“

In Mogadischu kämpft eine vielfältige Allianz gegen äthiopische Soldaten – Tausende sind auf der Flucht

Berlin - Seit Tagen melden die Agenturen schwere Kämpfe zwischen der äthiopischen Armee und den Truppen der somalischen Übergangsregierung auf der einen und islamistischen Kämpfern auf der anderen Seite. Seit Mitte Februar sind in der somalischen Hauptstadt Mogadischu wieder Kämpfe ausgebrochen, die Beobachter vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) als die „stärksten seit 16 Jahren“ bezeichnen. Damals wurde der Diktator Siad Barre gestürzt. Seither gibt es in dem ostafrikanischen Land keine anerkannte Regierung mehr.

Hannah Stogdon, Somaliaexpertin der International Crisis Group in Nairobi, bezweifelt diese Version. „Es ist weiß Gott kein einköpfiges Ungeheuer“, sagt sie über die Beteiligten an den Kämpfen. Ein Teil der Unruhen gehe auf die verbliebenen Anhänger der islamischen Gerichte zurück, die im vergangenen Sommer die Kontrolle über die Hauptstadt übernommen hatten und im Dezember von den Äthipopiern vertrieben worden waren. Doch auch Milizen des in der Hauptstadt mächtigen Hawiye-Clans und bewaffnete Kämpfer zurückgekehrter Kriegsherren mischen mit. Diese unterschiedlichen Gruppen eint lediglich eines: ihr Hass auf die Äthiopier. Vor Ostern wiederholten sich Szenen, die an das Desaster der Amerikaner 1993 erinnern. Äthiopische Soldaten wurden aus einem Hubschrauber abgeschossen, ihre Leichen durch die Straßen geschleift und schließlich angezündet. Stogdon sagte dem Tagesspiegel, die „Verwicklung der Äthiopier macht alles nur schlimmer“ und wirke einigend auf die notorisch uneinigen Lager des 16-jährigen Bürgerkrieges in Somalia.

Obwohl die Afrikanische Union schon vor Weihnachten die Entsendung einer 8000-köpfigen Friedenstruppe zugesagt hatte, sind bis heute nur 1500 ugandische Blauhelme eingetroffen. Am Samstag starb der erste von ihnen. Nach Stogdons Angaben hat zumindest Burundi inzwischen signalisiert, die zugesagten AU- Truppen „in den kommenden Wochen“ nach Somalia in Bewegung zu setzen. Dass Soldaten aus Nigeria bald dazustoßen, hält sie aber angesichts der Wahlen Ende des Monats für „absolut unwahrscheinlich“. Auch andere mögliche Truppensteller zögern.

Die Übergangsregierung hat nun eine für Mitte April geplante „Versöhnungskonferenz“, zu der sie nicht einmal gemäßigte Islamisten einladen wollte, verschoben. Die Sicherheitslage lasse es nicht zu. Dennoch setzen vor allem die USA weiter auf eine solche Konferenz. Am Wochenende besuchte die Vize-Außenministerin für Afrika, Jendayi Frazer, Baidoa, den bisherigen Sitz der Übergangsregierung in Somalia, um zu einem solchen Schritt zu ermutigen. Zudem sagte sie 100 Millionen Dollar Hilfe für die AU-Truppe in Somalia und für die Flüchtlinge zu.

Das Leben in der somalischen Hauptstadt sei „unerträglich geworden“, berichten Flüchtlinge den Mitarbeitern des Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Seit dem Ausbruch neuer Kämpfe in Mogadischu haben nach Angaben des UNHCR 124 000 Menschen die Stadt verlassen – die meisten versuchen bei ihren Clans unterzukommen. Manche versuchen, das Land zu verlassen. An einem Grenzübergang zu Kenia im Süden des Landes sitzen tausende Flüchtlinge fest, zum Teil schon seit Anfang Januar. Kenia hat die Grenzen geschlossen, weil es ein Einsickern von islamistischen Extremisten fürchtet.

Hunderte versuchen über den Golf von Aden nach Jemen zu flüchten. Am Dienstag sind dabei 34 illegale Einwanderer vor der Küste ertrunken. Im vergangenen Jahr schafften es 26 000 Flüchtlinge aus Somalia und Äthiopien nach Jemen auszureisen, mindestens 330 ertranken, weil sie von Menschenschmugglern gezwungen wurden, weit vor der Küste ins Wasser zu springen und an Land zu schwimmen. 300 weitere sind vermisst und vermutlich tot. Die Schleuser fürchten die jemenitische Küstenwache, die auch am Dienstag die zwei Flüchtlingsschiffe beschossen hatte, als die Menschen an Land gehen wollten. Deshalb fuhren sie zurück ins tiefere Wasser und zwangen die Menschen dort von Bord. Seit Januar sind bereits mehr als 5000 Flüchtlinge in Jemen angekommen, mindestens 170 starben bei dem Versuch.

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