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Politik: Ein wahrer Schlagabtausch

Der republikanische „Fox-News“-Star Billy O’Reilly liefert sich ein brillantes Rededuell mit dem demokratischen TV-Moderator Jon Stewart.

Was für ein Abend! Was für eine Show! Die Pointen jagen einander, durchwoben von Polemik und Parodie. Ist das Theater, Politik, Satire? Es ist von allem ein bisschen. Und wo steht geschrieben, dass Politik nicht unterhaltsam sein darf? Warum sollte man über „Freiheit statt Sozialismus“ nicht auch lachen? Doch zunächst muss der Ring erklärt werden.

In der linken Ecke: Jon Stewart, Satiriker, Stand-up-Künstler, Gastgeber der liberalen Late-Night-Sendung „The Daily Show“, New Yorker Jude, zweimal moderierte er die Oscar-Verleihung, Kritiker des rechtspopulistischen TV-Senders „Fox News“. Stewarts Einfluss auf den politischen Diskurs in Amerika ist weitaus größer als er selbst (1,70 Meter). Darum steht er an diesem Abend im Lisner Auditorium in der George Washington University in Washington D.C. auf einem höhenverstellbaren Podest, fährt mal hoch, mal runter.

In der rechten Ecke: Bill O’Reilly, Kult-Moderator von „Fox News“, irischstämmiger Katholik, Bestseller-Autor, Sprachrohr der konservativen Kulturkrieger, aggressiver Interviewer, der seinen Widersachern gern mal das Mikrofon abdreht, 1,95 Meter groß. O’Reilly hatte die Idee zu diesem einzig wahren 90-minütigen Schlagabtausch, den man sich am Samstag ab 20 Uhr außerhalb des Auditoriums (Ticket-Schwarzmarktpreise von mehr als 1000 Dollar) für 4,95 Dollar online anschauen konnte. Die Hälfte der Einnahmen geht an karitative Organisationen.

Are you ready to rumble? Das klingt nach Wrestling und Boxen. Der offizielle Titel der Veranstaltung lautet daher „The Rumble in the Air-Conditioned Auditorium“ – und O’Reilly startet plakativ. Schelmisch zückt der 63-Jährige diverse Pappschilder und liest laut vor. „Bush is gone“ etwa. Die weinerlichen Demokraten sollten nach vier Jahren aufhören, den Vorgänger von Barack Obama für alle Widrigkeiten verantwortlich zu machen. Der amtierende Präsident habe mehr Geld ausgegeben als jeder andere. Basta.

„Mein Freund Bill O’Reilly ist der Bürgermeister von ,bullshit mountain’“, erwidert Stewart. Er biete einfache Lösungen für komplexe Probleme an. Ein Beispiel dafür sei auch Mitt Romney, der glaube, die Schuldenlast dadurch reduzieren zu können, dass er Bibo aus der Sesamstraße umbringe. „Wir geben Milliarden an Exxon, wollen uns aber kein öffentlich-rechtliches Fernsehen mehr leisten?“ Rasch hat Stewart sein Thema gefunden: Amerikas Rechte verweigern sich den Realitäten, messen mit zweierlei Maß, polarisieren und simplifizieren. „Ein Geschäftsmann, der Steuerlöcher ausnutzt, gilt als klug, aber wer Hunger leidet und Lebensmittelkarten braucht, gilt als gieriger Schmarotzer.“

Einmal in Fahrt, dreht Stewart immer mehr auf. „Von denen, die Fox-News schauen, glauben mehr Menschen, der Präsident sei ein Muslim, als an die Evolution.“ Und: „Wir setzen komplett auf hohe Ausgaben und eine starke Zentralregierung, wenn wir in Kriege ziehen, halten den Staat aber bei der Gesundheitsreform für überfordert? Obama, der all diese Drohnen entsandte, um Terroristen zu töten, ist ein außenpolitischer Schwächling, weil er mit Ägyptens Muslimbrüdern spricht, die demokratisch gewählt wurden? Ja, war denn die Demokratie im Nahen Osten nicht das Hauptziel von Bushs Neokonservativen?“ Seinen stärksten Moment hat Stewart, als er gebeten wird, auf eine Frage aus dem Publikum zu antworten. „Warum soll ich nach vier Jahren immer noch Obama wählen?“ Stewart zögert kurz, lächelt, dann sagt er nur einen Satz: „Weil der Gegenkandidat Romney ist.“

Wirkte Obama beim ersten TV-Duell gegen Romney eigentümlich schwach, so hat bei „The Rumble 2012“ eindeutig O’Reilly gegen Stewart das Nachsehen. Stewart meint, eine Gemeinschaft sei nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Darauf O’Reilly: „Wir sollen nur so stark sein wie die Schwächsten? Spinnst du? Amerikas Fernsehen soll nur so stark sein wie CNN?“ Allein an dieser Stelle nimmt der Zuschauer wahr, dass es auch eine Moderatorin gibt – E. D. Hill von CNN.

Der Abend endet versöhnlich. Stewart setzt sich O’Reilly auf den Schoß, um zu demonstrieren, wie man mit gutem Willen und Kompromissbereitschaft auch die Blockade im Kongress überwinden kann. O’Reilly bereut, jemals für den Irakkrieg gewesen zu sein. Dann geht er sogar mit der eigenen Zunft ins Gericht. „Wenn du im Radio oder Kabelfernsehen Hass verbreitest und eine radikale Meinung vertrittst, kannst du viel Geld verdienen.“ Auch sein Ratschlag an die Jugend kommt von Herzen: „Arbeitet hart, seid ehrlich, findet eure Leidenschaft, verlasst mal das Internet, guckt euch die Welt an.“

Verabschiedet werden beide mit stehendem Applaus. Ihre Botschaft ist angekommen: Wenn wir zwei fröhlich miteinander streiten können, gibt es eine Einheit, die größer ist als jene angeblich unüberbrückbare Kluft, die Demokraten und Republikaner trennt. Malte Lehming

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