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Politik: Einbahnstraße in Richtung Ausstieg - seit Jahren streitet die katholische Kirche über die Konfliktberatung

Seit Jahren wird über die kirchliche Mitwirkung in der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung gestritten. Wir dokumentieren im folgenden den Konflikt.

Seit Jahren wird über die kirchliche Mitwirkung in der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung gestritten. Wir dokumentieren im folgenden den Konflikt.

1993: Wenige Tage nach dem In-Kraft-Treten der von Karlsruhe festgelegten Übergangsregelung beim Paragraph 218 plädieren die deutschen Bischöfe bei einer Sitzung des Ständigen Rates in Würzburg für eine weitere Mitwirkung bei der Beratung, der Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba kündigt seinen Ausstieg aus der staatlichen Beratung an.

1995: In einem Brief an die Bischöfe spricht Papst Johannes Paul II. von der "Zweideutigkeit des neuen Abtreibungsgesetzes". Unmittelbare Vorgaben oder Auflagen macht er jedoch nicht. Bei ihrer ersten Zusammenkunft nach Verabschiedung der neuen Bundesregelung befassen sich die Bischöfe in Fulda mit der Beratung. Knackpunkte: der Stellenwert des Beratungsscheins und die "Zweideutigkeit" der Beratung, die laut Gesetz sowohl zielorientiert als auch ergebnisoffen sein soll. Eine deutliche Mehrheit der Bischöfe plädiert für einen Verbleib im gesetzlichen System.

1997: Ab dem Sommer mehren sich aus Kirche und Politik die Appelle an Rom, die Mitwirkung im gesetzlichen System auch künftig zuzulassen. Überwiegend nicht öffentlich wenden sich zahlreiche Spitzenpolitiker. Beim Antrittsbesuch des neuen deutschen Vatikan-Botschafters Jürgen Oesterhelt im Oktober 1997 kritisiert der Papst die deutsche Abtreibungspraxis ungewöhnlich scharf. Seine Rede vom "Verbrechen gegen das Leben im Namen der Rechte der individuellen Freiheit" verschärft die Diskussion.

1998: Der Vorsitzende der Konferenz, Bischof Karl Lehmann, bestätigt, dass der Papst ein Schreiben zur Frage des Verbleibs in der Schwangerenkonfliktberatung unterzeichnet hat. Lehmann stellt in Mainz den Papst-Brief sowie eine Erklärung der Bischöfe vor. Johannes Paul II. fordert sie auf, Wege zu finden, dass kirchliche Beratungsstellen keine Scheine mehr ausstellen; zugleich plädiert er dafür, "dass die Kirche auf wirksame Weise in der Beratung der Hilfe suchenden Frauen präsent bleibt". Die Bischöfe wollen dem Wunsch des Papstes folgen und langfristig keine Beratungsscheine der bisherigen Art mehr ausstellen. Im Juni 1998 fordert der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, Lehmann brieflich auf, bereits bis Herbst ein neues Beratungsmodell zu präsentieren.

1999: Am 25. Februar stimmen die Bischöfe in Lingen über ihre Haltung zur Konfliktberatung ab. Lehmann verkündet, dass eine Mehrheit der Bischöfe das Modell eines "Beratungs- und Hilfeplans" favorisiert. Lehmann stellt am 23. Juni in Bonn den jüngsten Papstbrief und die Reaktion der Bischöfe vor. Johannes Paul II. fordert die Bischöfe auf, den Beratungsschein um den Satz "Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden" zu ergänzen. Die Bischöfe wollen dem folgen und bekunden zugleich ihren Willen, im staatlichen System zu bleiben. Dies sei die größtmögliche Eindeutigkeit der Haltung der Kirche, so Lehmann. In einem Zeitungsinterview kritisiert der Fuldaer Erzbischof Dyba im August den künftigen Schein scharf. Das geplante Vorgehen laufe der Intention des Papstes diametral entgegen. Mit dem aktuellen Brief des Papstes wird die von Lehmann favorisierte Lösung vom Papst abgelehnt. Trotz des erwähnten Zusatzes auf dem Beratungsschein dürfe dieser juristisch nicht für eine straffreie Abtreibung anerkannt werden.

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