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Die westlichen Vorstellungen über Polygamie im Islam sind mitunter verwegen.

© Marijan Murat/ picture alliance /dpa

Einbürgerung, Polygamie und Recht: Keine Panik, es ist nur eine Ehe

Deutscher soll nur werden dürfen, wer sich auf eine Gattin beschränkt. Polygamie gilt als Horror. Aber so wichtig sind die Sitten nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Abbou Sweid, Familienvater und Flüchtling aus Syrien, darf sich einem Millionenpublikum vorstellen. Die „Bild“ präsentiert ihn auf der Titelseite mit seinen drei Ehefrauen und 13 Kindern. Das 14. ist noch unterwegs. „Ich freue mich, wenn wir Deutsche werden können.“

Die ungewöhnliche Homestory hat einen politischen Hintergrund. Die Koalition plant, die Einbürgerung mehrfach Verheirateter zu verbieten. Die Initiative von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist praktisch beschlossene Sache. „Ob das jemals möglich sein wird?“ reagiert die „Bild“ am Ende eine Spur verlogen auf die Wünsche von Herrn Sweid. Denn die Antwort liefert sie gleich mit.

Beim Leser tritt Erleichterung ein. Die abendländische Einehe ist gerettet. Herr Sweid wird nicht weiter befragt. Er wird hier nicht in seiner Rolle als Betroffener benötigt. Sondern als Horrorclown, der dank guter Politik bald besiegt sein wird.

Geht es um die Mehrehe nach islamischem Recht, der Scharia, wandelt sich auch der älteste und weißeste Mann zum Vollfeministen. Arme Frauen! Wie erniedrigend, sich den Mann teilen zu müssen! Klar, eine oder mehrere Geliebte neben der eigenen Gattin, das geht; man würde sie schließlich niemals heiraten.

Dabei handelt es sich im Prinzip um dasselbe. Mit mehreren Partnern Sex zu haben und eine Familie zu gründen, mal bei dieser, mal mit jenem Tage oder Nächte zu verbringen, steht als Handlungsfreiheit unter dem Schutz des Grundgesetzes. Ebenfalls die Auswahl des Ehepartners, der neuerdings das eigene Geschlecht haben darf.

Sogar unendlich oft heiraten kann man. Nur niemals, nie! dürfen Eheleute eine zweite Ehe eingehen. Man kann ins Gefängnis kommen, wie es der weithin unbekannte Paragraf 172 Strafgesetzbuch bestimmt.

Diese strikte Ordnung gibt es, weil es diese strikte Ordnung gibt. Und nur sie soll durch die Strafvorschrift geschützt werden. Gegen eine Legalisierung der Mehrehe wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht wenig einzuwenden, so lange sie von Frauen, Männern und allen weiteren Geschlechtern in gleicher Weise eingegangen werden kann. Die Einehe-Vorschrift hat viel mit Vorstellungen von Kultur und Sitte zu tun. Wenig mit Recht.

Eine weitere Ehe einzugehen, ist strafbar

Deshalb lässt sie sich auch kaum auf allen Ebenen durchhalten. So ist es zwar strafbar, parallel zu einer Ehe eine neue einzugehen. Aber nicht, sie zu führen. Entsprechend werden mitunter im Ausland geschlossene Mehrehen in der Bundesrepublik anerkannt, etwa bei Ansprüchen von Witwen.

Eine Politik, die sich, wie eine bayerische Bundesratsinitiative, der „Bekämpfung von Mehrehen“ verschreibt, trifft am Ende oft Frauen. Ohnehin sollte der Staat über Ehen glücklich sein. Sie ersetzen ihm die Pflicht, für Einzelgänger zu sorgen. Womöglich sollte besser künftig nur eingebürgert werden, wer verheiratet ist. Egal, mit wie vielen.

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