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Glücklich Landsleute: Die aus Ägypten stammende Computerfachfrau Mariam Abouelfadl und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach der Übergabe der Einbürgerungsurkunde

© John MacDougall/dpa

Einbürgerungsfeier beim Bundespräsidenten: Integrationskurs auf Arabisch

Zum ersten Mal gab es eine Einbürgerungsfeier beim Bundespräsidenten, für sechs neue Deutsche. Drei erzählten dem Tagesspiegel ihre deutsche Geschichte.

Sicher, der Brexit. Der sei schon der wichtigste Grund gewesen, sich in Deutschland einbürgern zu lassen, erzählt Christopher “Rhys” Howell. Wenn er ab diesem Freitag aber deutsch-britischer Doppelstaatler ist, dann wird das auch einen vorläufigen Punkt unter das setzen, was er “ein Abenteuer” nennt. Als der studierte Kunsthistoriker und Marketingfachmann vor ein paar Jahren von London zunächst nach Koblenz zog, ging es nur um die neue Arbeit.

Howell hatte beim deutschen Sporträderhersteller Canyon angeheuert, der seit dreißig Jahren dort sitzt. London, “laut, groß, schmutzig, hektisch” und nun Koblenz, so ganz anders.

"Aber es war perfekt”, sagt Howell – obwohl er damals als einziger der Belegschaft kein Wort Deutsch sprach. Dann trat seine britische Heimat aus der Europäischen Union aus, und die Entscheidung, den deutschen Pass zu beantragen, war klar: “Ich bin Europäer, und Deutschland ist meine Heimat. Das hat Sinn gemacht.” Dass Howell, mittlerweile für seine Firma in Berlin, heute im Schloss die Urkunde aus der Hand des Bundespräsidenten bekommt, sei “eine große Ehre”. Alles, was ihn dorthin geführt habe, sei irgendwie auch ein bisschen verrückt. “Aber wunderschön.”

Computerfachfrau aus Ägypten

Mariam Abouelfadl aus Ägypten kam 2012 zum Studium nach Aachen. Einen Abschluss in Computerwissenschaften hatte sie da schon, nun wollte sie, so sagt sie, an einer der besten Universitäten für Ingenieurwissenschaften Medieninformatik studieren, der RWTH. Nach einigen Jahren Arbeit in der Netzwerktechnik arbeitet sie, inzwischen in Berlin, beim App-Anbieter Jodel. In Deutschland fühlt sie sich wohl. Dass sie den ägyptischen Pass abgeben muss – noch immer versucht Deutschland, Doppelstaatigkeit zu vermeiden - ist für sie kein Problem. Selbst die Familie in Ägypten verstehe das. Deutsche zu sein, mache ihr das Leben leichter, “sie unterstützen mich da”. Sie sei einfach nur "sehr glücklich", dass es jetzt so weit sei.

Abouelfadls neue deutsche Mitbürgerin Meital Rozental aus Israel wollte damals eigentlich den umgekehrten Weg gehen. 2011 entschied sie sich zu einer Ägyptenreise, um den Nahen Osten und die arabische Nachbarschaft besser kennenzulernen. Doch dann kam der Arabische Frühling. Sie wartete, irgendwann zerschlug sich der Plan, erzählt sie.

Stattdessen zog die studierte Psychologin und Kulturmanagerin mit einem deutschen Bekannten, den sie in Jerusalem kennengelernt hatte, nach Neukölln. Damit begann vor zehn Jahren eine Liebesgeschichte: “Ich habe mich in die Stadt verliebt. Ich liebe Jerusalem immer noch, aber Berlin war das Gegenteil davon: Entspannt, weltoffen, liberal.”

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Auch wenn ihr Blick inzwischen nüchterner ist, "komplexer", wie sie sagt – “ich sehe jetzt auch die sozialen Probleme der Stadt, aber das wäre mir überall so gegangen” – irgendwann wollte sie Deutsche werden: “Ich glaube, dass man Teil der Gesellschaft sein sollte, in der man lebt. Nach zehn Jahren will ich wirklich mitgestalten, dafür ist die Staatsbürgerschaft wichtig.” Für die Rechte einer EU-Bürgerin, die Deutschen weitgehend gleichgestellt ist, hätte sie den Pass nicht gebraucht, über ihre in Budapest geborene Mutter ist sie das längst. Eine Bindung an Ungarn hat sie aber nicht.

Als Jüdin in Neukölln? "Ich habe mich nie bedroht gefühlt"

Der Wunsch übrigens, den Nahen Osten zu studieren, ging für Meital Rozental dann doch noch in Erfüllung. In Neukölln. Sie engagierte sich seit 2015 für geflüchtete syrische Kinder und lernte Arabisch - “Das war für mich Teil meiner Integration hier.” In ihrem Kiez lernte sie Menschen aus der ganzen Region kennen, Syrer, Iranerinnen, Leute aus dem Libanon. Eine Israelin und Jüdin in Neukölln? “Ich habe mich hier nie als jüdische Israelin bedroht gefühlt.”

Seit zwischen Israel und dem Gazastreifen die Bomben wieder fallen, gebe es zwar auch in Neukölln Spannungen. Aber für sie persönlich habe sich in diesem Punkt nichts verändert. “Richtige Angst habe ich vor Rechten, nicht vor Arabern.” Israelin will sie auch mit deutschem Pass bleiben. Erst kürzlich hat Deutschland Israelis die Doppelstaatsbürgerschaft ausdrücklich ermöglicht – andernfalls wäre Rozental jetzt nicht Deutsche: “Meine Eltern, meine Großeltern haben so viel dafür leiden müssen, bis sie israelische Staatsbürger werden konnten. Nicht mehr Israelin zu sein, das würde ich ihnen nie antun.”

Die drei aus Ägypten, Großbritannien und Israel waren zusammen mit zwei weiteren Berlinerin und zwei Brandenburger Neu-Landsleuten mit iranischen und türkischen Wurzeln am Freitag die ersten, die ihre Einbürgerungsurkunde aus der Hand des Bundespräsidenten erhielten. Frank-Walter Steinmeier, so ist aus seiner Umgebung zu hören, hatte schon lange vor, seinerseits jenen roten Teppich auszurollen, über den er üblicherweise selber geht - und neuen Deutschen den ersten Schritt ins amtliche Deutschsein in einem besonders festlichen Rahmen im Schloss zu ermöglichen. Dass Staatsbürgerschaft nicht davor schützt, als fremd zu gelten, hatten Fußballfan Steinmeier nicht nur die Vorgänge rings um den Verzicht von Weltmeister Mesut Özil 2018 gezeigt. Vor einem Jahr hatten ihm Schwarze Deutsche, darunter Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah, von ihren frustrierenden Erlebnissen täglicher symbolischer Ausbürgerung berichtet.  

ln mehr als einer Heimat zu Hause

Hier setzte der Bundespräsident in der Ansprache an die sechs neuen Deutschen einen Punkt, anknüpfend daran, dass einige von ihnen fortan mehr als eine Staatsbürgerschaft haben. Das sei in der Welt von heute nicht mehr so ungewöhnlich - tatsächlich behält etwa die Hälfte aller neueingebürgerten Deutschen ihre alten Staatsangehörigkeiten. "Ich persönlich glaube, dass ein Mensch mehrere Heimaten haben kann."

Die deutsche sei dabei nun die von ihnen selbst "auserwählte Heimat" der Sechs, sagte Steinmeier und zitierte den Schriftsteller Saša Stanišić, der als Jugendlicher mit seiner bosnischen Familie nach Deutschland fliehen musste: "Jedes Zuhause ist ein zufälliges. Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann, wer sein Zuhause nicht verlässt, weil er muss, sondern weil er will."

In der Vielfalt, in der Veränderung, die der Zuzug von Menschen aus aller Welt mit sich gebracht habe, liege die Stärke des Landes. Gerade in einem wichtigen Wahljahr könnten die Neuen nun mitgestalten: "Die Demokratie braucht Sie, sie braucht Ihre Erfahrungen."

Trotz rotem Teppich: Die ersten Minuten als deutsche Staatsbürger:innen wurden dann doch nicht ganz so festlich wie üblich. Die Moderatorin der Feier im Bellevue, Tagesthemen-Moderatorin Pinar Atalay, erinnerte alle an die Corona-Hygieneregeln: Wer den Impuls habe, "Einigkeit und Recht und Freiheit" mitzuschmettern, möge ihn wegen der Aerosolgefahren doch lieber unterdrücken.

So war die Nationalhymne allein von den Instrumentalisten zu hören, Avi Avital an der Mandoline und dem Pianisten Ohad Ben-Ari. Ob die Neuen mitsummten, wie von Atalay empfohlen? Im Livestream war es nicht zu hören und unter den Masken nicht zu sehen.

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