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Politik: Eine bewusste Entscheidung

Hersteller: Möllemann aktivierte Rettungssystem nicht

Am Selbstmord von Jürgen W. Möllemann gibt es keine vernünftigen Zweifel mehr. Nach Informationen des Tagesspiegel hatte der Politiker beim tödlichen Fallschirmabsprung in Marl-Loemühle das Rettungssystem „Cypres“ tatsächlich nicht eingestellt. Dies hätten entsprechende Untersuchungen jetzt ergeben. Unter Springern war von Anfang an davon ausgegangen worden, dass der erfahrene Skydiver auf die automatische Öffnungshilfe verzichtet haben musste. Weltweit ist bisher kein einziger Fall bekannt, bei dem ein korrekt aktiviertes Cypres-Teil nicht funktioniert hätte. Vielmehr verdanken, so heißt es, bereits 1000 Springer dieser technischen Unterstützung ihr Leben, allein fünfzig in Deutschland.

Wie der Tagesspiegel erfuhr, wurde Möllemanns Cypres-Automat beim Hersteller Airtec begutachtet. Der von der Staatsanwaltschaft Essen bestellte Sachverständige, ein Sprunglehrer, Beamter bei der GSG 9, sei per Hubschrauber eingeflogen worden. Am Donnerstag sei die Expertise fertig gewesen. Fazit: Das Cypres-System sei gar nicht in Betrieb gewesen. Zum Einschalten müsse nach dem Aufleuchten eines roten Lämpchens die entsprechende Taste vier Mal hintereinander betätigt werden. Ein Display leuchtet. Das sei ein sehr bewusster Vorgang. Dass das Gerät nicht angeknipst wurde, gilt als wichtiges Indiz für Suizid. Entgegen anders lautenden Meldungen existieren damit aber auch keine Aufzeichnungen vom Todessturz. Profis berichteten, nach dem Abwerfen des Hauptschirms bei 600 Metern hätte der Politiker spätestens bei der „Entscheidungshöhe 500 Meter“ die Reserve ziehen müssen, was er ebenfalls unterließ. Erst in höchster Not, vier Sekunden vor dem Aufprall, wäre dann die technische Rettung durch Cypres bei 225 Meter erfolgt. Das System basiert auf exakter Messung des Luftdrucks. Es reagiert auf Gefahrensituationen und öffnet den Container mit dem vollwertigen Ersatz für die Hauptkappe. Möllemann wäre mit drei bis fünf Metern pro Sekunde sicher gelandet. Im freien Fall, den er offenbar wählte, sei er mit einer Aufprallgeschwindigkeit von über 180 Kilometern auf dem Feld zerschmettert.

Jürgen Schreiber

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