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Politik: Eine Bilanz des Schreckens in Osttimor

Bericht der Wahrheitskommission an UN übergeben / Mindestens 100 000 Menschen starben unter indonesischer Besatzung

18 600 ermordete Zivilisten. 84 200 Menschen, die verhungerten oder an kriegsbedingten Krankheiten starben. 8500 Folterfälle. Zwischen 1975 und 1999, als Indonesien seinen Nachbarn Osttimor besetzt hatte, sollen bis zu 183 000 Menschen durch die Konfliktfolgen umgekommen sein. Wenn stimmt, was aus dem Bericht der osttimoresischen „Empfangs-, Wahrheits- und Versöhnungskommission“ (CAVR) bekannt ist, starb knapp ein Drittel der Bevölkerung. Nun übergab Osttimors Präsident Xanana Gusmao die Dokumentation an UN-Generalsekretär Kofi Annan.

In dem 2500-Seiten-Bericht wird festgestellt, dass Indonesiens Sicherheitskräfte 70 Prozent aller Morde begangen hätten. Auch Osttimoresen sollen getötet haben: als Kollaborateure oder als Freiheitskämpfer. Indonesiens Verteidigungsminister Juwono Sudarsono nennt den Bericht „einen Statistikkrieg über Sachen, die nie geschehen sind“.

Indonesien war 1975 einmarschiert, weil sein damaliger Diktator Suharto befürchtete, aus der portugiesischen Kolonie Osttimor könne ein kommunistisches Land werden. Nach Suhartos Sturz wurde den Osttimoresen 1999 ein Referendum erlaubt. Sie wählten die Unabhängigkeit. Jakartas Soldaten hinterließen bei ihrem Abzug verbrannte Erde: Bis zu 2000 Menschen sollen getötet worden sein, 80 Prozent aller Gebäude gingen in Flammen auf. „Regierungsbeamte, auch indonesische Minister, kannten die Strategie. Anstatt sie aufzuhalten, unterstützten sie sie direkt“, heißt es im CAVR-Bericht. Erst eine bewaffnete UN-Truppe brachte Frieden. 2002 wurde Osttimor unabhängig.

Mitglieder der Wahrheitskommission sprachen mit 8000 Zeitzeugen und übergaben ihren Bericht schon im Oktober an Xanana Gusmao. Veröffentlicht wurde der Bericht bisher nicht. Im Dezember wurde der Zeitung „The Straits Times“ eine Zusammenfassung zugespielt, in dieser Woche erhielt das Blatt „The Australian“ nach eigenen Angaben den kompletten Bericht. Die indonesischen Besatzer hätten „beschlossen, Verhungernlassen als Kriegswaffe einzusetzen“, zitiert die Zeitung aus dem Bericht. Darin seien öffentliche Enthauptungen, Anzünden sowie Vergraben von lebendigen Menschen, Abschneiden von Ohren und Genitalien, Einsatz des Brandstoffes Napalm und Vergiften der Wasserversorgung beschrieben. „Systematische Exekutionen, willkürliche Haft, Folter, Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei waren offiziell von Indonesien akzeptiert“, berichte die Kommission. Sie empfehle, Täter strafzuverfolgen und Entschädigungen von Indonesien sowie verbündeten Ländern zu fordern. Gusmao wirft den Autoren „grandiosen Idealismus“ vor.

Gusmao, vor 1999 selbst sieben Jahre lang in indonesischer Gefangenschaft, setzt sich für ein gutes Verhältnis zum mittlerweile demokratischen Nachbarn ein. Die Regierungen beider Länder haben eine gemeinsame Kommission gegründet, die sich nur mit der Gewalt im Jahr 1999 beschäftigt und die Strafverfolgung von Tätern ausschließt.

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