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Dienst am Gemeinwesen: Freiwilliges soziales Jahr in einer „Kreativwerkstatt“ für Kinder

© dpa/Waltraud Grubitzsch

Eine Dienstpflicht für alle?: Man muss es nur wollen!

Die CDU-Chefin hat eine Debatte über eine Dienstpflicht angestoßen. Das könnte das von Fliehkräften strapazierte Gemeinwesen stabilisieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Werkstattgespräche sind als Idee so schlecht nicht. Da kann keiner erwarten, dass am Ende bereits ein fertiges Werkstück steht. Deshalb hat Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer Funktion als CDU-Vorsitzende durchaus recht, so etwas zu beginnen. Der Partei tut es ganz gut, sich mal wieder ans Diskutieren zu gewöhnen. Und wenn’s dabei knirscht – auch recht. Politik ist kein Gesangverein Harmonie, sagte der legendäre CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, und nicht zuletzt seinetwegen ist AKK in der Union.

Ob es dann aber ausgerechnet die Dienstpflicht-Debatte sein muss? Immerhin ist die CDU-Chefin im Nebenberuf (oder umgekehrt) noch Verteidigungsministerin, und als solche verzeichnet sie nicht gerade einen Ansturm an Freiwilligen für den Armeedienst. Also: Man merkt die Absicht und ist verstimmt, könnte man meinen.

Trotzdem. Warum nicht, der Gedanke - und da hat Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus doch im Grundsatz recht - ist schon schön. Der Gedanke nämlich, dass wir Staatsbürger unserem Gemeinwesen ein Jahr unseres Lebens widmen, ob in der Bundeswehr oder einem sozialen Dienst.

Muss das Grundgesetz geändert werden?

Jetzt denken bestimmt etliche, da ist so ein Nostalgiker, der immer noch nicht verwunden hat, dass es die Wehrpflicht und den Zivildienst seit 2011 nicht mehr gibt. Aber spricht nicht unser Bundespräsident unter Beifall von allen Seiten oft davon, dass das Gemeinwesen stärkeren Einsatz lohne, um es damit zu sichern?

Entspräche da eine Pflicht, und sei sie vorübergehend, nicht eher der Notwendigkeit, das von Fliehkräften strapazierte Gemeinwesen zu stabilisieren? Freiwilligkeit hat schnell etwas von Beliebigkeit, wenig von Dringlichkeit. Klar, die Umsetzung wäre nicht einfach. Kann gut sein, dass das Grundgesetz geändert werden müsste. Der Eingriff in private Lebensplanungen ist nicht trivial. Doch wenn die Mehrheit der Volksvertreter das wollte, geht das. Gesetze sind für die Menschen da, nicht umgekehrt. Man muss es aber wollen. Wenigstens diskutieren.

Und es gilt: AKK bringt eine interessante Debatte auf, ohne ein Ergebnis vorzugeben – und es ist wieder nicht recht. So wird das mit dem demokratischen Diskurs schwierig, wenn niemand etwas wagen darf.

Was die Familie und die Peer-Group nicht vorlebt, wird eben nicht verinnerlicht. Und soziale Projekte sind so uncool.

schreibt NutzerIn MichaelausBerlin

Den Zeitpunkt soll jeder für sich bestimmen

Zwei Allerdings gibt es allerdings auch. Das erste: Warum sollte ein solcher verpflichtender einjähriger Dienst nur bei jungen Menschen nach ihrer Schulzeit greifen? Die wollen doch in aller Regel gerade dann durchstarten. Darum das Ganze öffnen. Gleich welchen Alters, jeder und jede gibt ein Jahr in einem gesellschaftlich relevanten, gemeinnützigen Bereich; wann, das ist Sache der Einzelnen.

Womit wir beim zweiten Allerdings wären. Und das hat Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch schön zusammengefasst. Er twittert: „Die Bundesregierung … hinterlässt der jungen Generation Niedriglöhne, Leiharbeit, Mietenexplosion, Kitamangel, Armutsrenten und Klimanotstand.“

Mag überzeichnet sein, aber ganz falsch ist es nicht. Was in politisches Handeln übersetzt bedeutet: das eine tun und das andere nicht lassen. Die Regierung muss, wenn sie glaubwürdig am gesellschaftlichen Zusammenhalt arbeiten will, all das oben Genannte behandeln – und kann dann noch viel besser mit der Idee einer Dienstpflicht kommen. Eins nach dem anderen.

Aber die Sache ist ja auch noch nicht raus aus der Werkstatt.

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