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Politik: Eine ernste Vorstellung

DIE UN UND DER IRAK

Von Christoph von Marschall

Diese Bühne ist im Kommen. Die wichtigsten Regisseure der Welt wollen hier inszenieren. Das Publikumsinteresse ist riesig. Hat es das schon mal gegeben: dass ein Konflikt so gezielt über die UN ausgetragen wurde? Präsident Bush war schon da, Präsident Chirac kündigt seinen Auftritt an. Noch nie sind so viele Außenminister so oft nach New York gereist. Noch nie wurden Sitzungen so ausführlich im Fernsehen übertragen. Und schauten Millionen auf der Erde zu. So mächtig sind die Vereinten Nationen.

Nur, welches Stück wird eigentlich gespielt? Krieg und Frieden? David Frankreich, der Goliath Amerika mit der Vetoschleuder stoppt? So möchten es viele sehen: der Sicherheitsrat als einzige Macht, die den USA noch etwas entgegensetzen kann, als Weltregierung und Weltgericht, die die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren verteidigen. Das Ringen um Resolutionen, das Werben um Mehrheiten, die Vetodrohung – das stärkt den Eindruck juristischer Förmlichkeit. Und dient doch auch dem richtigen Ziel: diesen Krieg zu verhindern.

Dennoch, der Sicherheitsrat ist vor allem Bühne für nackte Interessenvertretung. Bush ist zum Krieg entschlossen, in die UN ist er gegangen, weil ihm die Liste unerfüllter IrakResolutionen eine rechtliche Handhabe bot und eine größtmögliche Kriegskoalition verhieß. Jetzt kämpft er dort nur noch, weil Tony Blair eine zweite Resolution innenpolitisch braucht. Bush hätte die vorliegende 1441 genügt – eine Auffassung, die die Bundesregierung teilt. Welche Ironie, dass dieser zweite Kampf Bush ein klares Nein eintragen könnte und Blair doch nicht rettet.

Chirac gibt jetzt den großen Gegenspieler, aber ist er ein glaubwürdiger Verteidiger der UN? Nach deren Gewaltmonopol hat Frankreich bei seinen Interventionen in Afrika – jüngst wieder in Elfenbeinküste – nie gefragt. Moskau auch nicht, schon gar nicht in Tschetschenien. Kriegsaufschub bedeutet für Russland bares Geld: Es lebt vom Ölexport, im Vorkrieg sind die Preise hoch, nach Bushs Sieg, an dem niemand zweifelt, werden sie fallen. Chirac und Putin sind scheinheilige Friedensengel. Und was spricht dafür, dass es China und Syrien bei ihrem Nein vor allem um die Kinder in Bagdad geht?

Für die sechs Unentschlossenen im Sicherheitsrat kann man Verständnis haben, einerseits: Warum sollen sie den Schiedsrichter spielen, wenn die Großen sich nicht einigen können? Andererseits wirken korrupte, undemokratische Regime wie in Guinea oder Kamerun, die sich von Amerika wie von Frankreich mit Versprechen locken lassen, wie Weltrichter, die man kaufen kann. Und ausgerechnet sie sind jetzt die letzte Hoffnung: Überbrückt ihr Kompromissvorschlag – eine Liste ultimativer Abrüstungsschritte, die der Irak erfüllen muss, sonst gibt es Mitte April Krieg – den Riss?

So mächtig, wie die Vereinten Nationen wirken, wenn sie Bush in den Arm fallen, sind sie nicht. Und schon gar nicht so moralisch. Um die von vielen Deutschen erträumte Rolle der obersten Instanz auszufüllen, müssten sie gestärkt werden. Dient der Streit um den Irak diesem Ziel? Verhindern können die UN den Krieg nicht. Und es ist äußerst zweifelhaft, dass Amerika sich nach dieser Erfahrung häufiger an sie wendet. Internationale Organisationen leben davon, dass Nationalstaaten Macht an sie abtreten. Das tun diese nur, wenn sie einen Nutzen davon haben. Worin könnte der für Bush bestehen, wenn er sich jetzt beugt?

Ohne Amerikas starken Arm haben die UN keine Macht. Saddam hätte sich ohne den US-Aufmarsch nicht bewegt, auch wenn Chirac so tut, als sei die „friedliche Abrüstung“ seiner Vernunft zu verdanken. Umgekehrt brauchen auch die USA Verbündete. Nicht um Kriege zu gewinnen, das können sie allein. Aber um stabile Nachkriegsordnungen aufzubauen: auf dem Balkan, in Afghanistan, im Irak.

Die UN werden am Irak nicht zerbrechen. Die Blauhelme in Zypern, Korea und anderswo werden bleiben, die Programme gegen Hunger und Überbevölkerung fortgesetzt. Aber ihre Autorität wird leiden. Zum Schaden aller im Westen. Sein Kitt war früher die sowjetische Bedrohung. Gemeinsame Sicherheitsinteressen hat er auch künftig, vor allem weltweite Mindeststandards bei der Abrüstung und der Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Darauf sollten sich Bush und Chirac besinnen. Am besten ohne Krieg.

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