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Politik: Eine Frage der Ehre

Warum Iran auf dem Atomprogramm beharrt

In den Augen des Westens nimmt Iran im Streit um sein Atomprogramm seit dem Wochenende eine unverständlich harte Haltung ein. Das Land hat mit der Urananreicherung begonnen, obwohl es europäischen Staaten zugesagt hatte, das zu unterlassen. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten versprochen, sich für verstärkte Handelsbeziehungen einzusetzen, wenn man mit der Haltung des Landes in der Atomfrage zufrieden sei. Doch die Interpretation auf iranischer Seite sieht anders aus: Dort hieß es, die Unterzeichnung dieser Vereinbarung brächte direkt Handelsvorteile. Da sich in dieser Frage nichts getan hat, wirft man den Europäern Vertragsbruch vor.

Iran weiß, dass es das internationale Recht auf seiner Seite hat. Der Atomwaffensperrvertrag (NPT) erlaubt es, Atomenergie zur zivilen Nutzung zu entwickeln. Iran arbeitet mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zusammen und hat auch das Zusatzprotokoll, das Kontrollbesuche in Atomanlagen vorschreibt, unterzeichnet. Es ist allerdings noch nicht ratifiziert. Aus iranischer Perspektive hat man vorbildlich kooperiert und wünscht, dass dies anerkannt wird.

Hier kommt die Psychologie ins Spiel. Die USA haben Iran in ihre „Achse des Bösen“ einsortiert und das Land mit Sanktionen belegt. Die Europäer setzen zwar auf Dialog, sind aber unsicher. Denn das Atomprogramm Irans ist schon so weit fortgeschritten, dass der Schritt zum Bau einer Atombombe nicht mehr groß scheint. Die iranische Seite wiederum sieht Israel als reale Bedrohung an. Irans Außenminister Kamal Charasi sagte am Mittwoch: „Israel stellt eine ständige Bedrohung nicht nur Irans, sondern aller Länder im Nahen Osten dar.“ Wenn Iran nun auf sein Recht zumindest zur zivilen Nutzung der Atomenergie pocht, hängt das auch damit zusammen, dass die Welt keinen Druck auf Israel ausübt, sein Atomprogramm offen zu legen.

Nach Ansicht des Iran-Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Johannes Reissner, spielt in der Frage der „Mossadeq-Komplex“ eine Rolle. Der demokratisch gewählte Premier Mohammed Mossadeq war 1953 durch einen CIA-Coup gestürzt worden, nachdem er die Erdölindustrie des Landes nationalisiert hatte. Die Nationalisierung wurde rückgängig gemacht, die USA verschafften sich Zugang zu Irans Öl. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung sind die Verteidigung der nationalen Würde und der Kampf gegen äußere Einmischung ein zentraler Punkt iranischer Politik. Er eint das innenpolitisch gespaltene Volk. Damit ist der Widerstand gegen weitere Einschränkungen des Atomprogramms nach Ansicht Reissners ein „ideales Feld“, um sich innenpolitisch zu profilieren.

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