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Politik: Eine für alle

Edith Kellner betreut als Truppenpsychologin knapp 2900 deutsche Soldaten im Kosovo

Eigentlich wollte sie nach Afghanistan. „Weil dort die Herausforderung größer ist“, sagt Edith Kellner. Doch die Vorgesetzten schickten die 33-Jährige nicht an den Hindukusch, sondern nach Kosovo: Die Truppenpsychologin der Bundeswehr ist seit zwei Monaten beim deutschen Kontingent der Nato-Friedenstruppe Kfor in Prizren im Süden des Landes stationiert.

Für insgesamt 2885 deutsche Soldaten soll Kellner im Kosovo da sein – bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist es üblich, dass Psychologen nur begrenzt zur Verfügung stehen. Das heißt im Klartext: Mehr als ein Truppenpsychologe ist für jede Friedensmission der Bundeswehr nicht vorgesehen. Hochgerechnet kommen auf insgesamt rund 9000 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz nicht einmal ein Dutzend Psychologen. Ein Mangel, den selbst Kellner im vergleichsweise „ruhigen“ Kosovo zu spüren bekommt. „Eigentlich ist es alleine nicht zu schaffen“, sagt die Psychologin über ihren Arbeitsalltag. Auch wenn die psychische Belastung der Truppe in Prizren augenscheinlich geringer sei als in Afghanistan, gebe es auch im Kosovo für Psychologen eine Menge zu tun.

Eine Schwierigkeit ihrer täglichen Arbeit liege darin, bestimmte Truppenteile überhaupt zu erreichen, sagt Kellner. So sei an Patrouillen nur schwer heranzukommen, da diese ständig unterwegs seien. Außerdem sei nicht jeder Soldat bereit, sich einem Psychologen anzuvertrauen. Besonders bei der Infanterie gebe es diesbezüglich immer wieder Vorbehalte. „Dort herrscht das Bild: Ich bin doch stark, ich brauche keine Hilfe“, sagt sie. „Schon gar nicht von einem Psychologen.“ Mehr Vertrauen brächten die Kameraden dagegen traditionell den Militärpfarrern entgegen. Käme aber doch ein Gespräch mit einem Truppenpsychologen zustande, seien die meisten Soldaten doch froh, das Angebot angenommen zu haben: „Sie merken einfach, dass es ihnen danach besser geht, eine Last von ihnen fällt.“ Letztlich ist Kellner aber auf die Bereitschaft der Soldaten zur Kooperation angewiesen – keiner kann schließlich zum Reden gezwungen werden.

Die Psychologin tritt sowohl auf Anfrage von Soldaten und Vorgesetzten, aber auch auf eigene Initiative in Aktion. Beim Einsatz im Ausland seien vor allem Trennungsängste eine große Belastung für die Soldaten. Viele kämen besonders mit der monatelangen Abwesenheit von Freunden und Familie nicht zurecht. „Das Problem ist, dass die Soldaten vom Ausland aus nicht in den Alltag zu Hause eingreifen können“, sagt Kellner. „Da entsteht bei vielen ein Gefühl von Hilflosigkeit.“ Der Auslandseinsatz, sagt die Truppenpsychologin, bedeute für viele schon allein wegen der veränderten Arbeitszeiten eine Belastung. Im Ausland seien die Männer und Frauen rund um die Uhr im Einsatz, oft an Arbeitsplätzen mit wenig Kontakt zur Außenwelt. „Da schleicht sich besonders schnell Eintönigkeit ein“, sagt die Psychologin. „Das schwächt die Motivation.“

Zu den täglichen Aufgaben der 33-Jährigen gehört das Schlichten: Wenn beispielsweise Kameraden aneinandergeraten und schon mal mit Waffengewalt drohen, ist sie mit der Klärung der Hintergründe befasst. Meistens gehe es dabei um persönliche Befindlichkeiten wie vermeintlich ungleiche Behandlung durch Vorgesetzte oder eine ungerechte Aufgabenverteilung. „Das Problem ist, dass man sich hier nicht aus dem Weg gehen kann“, sagt die Psychologin. „Man ist tagtäglich zusammen und sieht sich auch nach getaner Arbeit. Es fehlt einfach die Privatsphäre – das bringt das Fass irgendwann zum Überlaufen.“

Auch Streitigkeiten zwischen Vorgesetzten und Untergebenen bleiben nicht aus. Dabei gehe es vor allem um die Erhaltung des hierarchischen Gefüges. „Das ist ein ganz heikles Thema“, sagt Kellner. „Auf diesem Gebiet gibt es öfter Konflikte.“ In beiden Fällen kommt die sogenannte Introspektion zum Einsatz: Die Psychologin geht den Gefühlen und Gedanken der Beteiligten in der jeweiligen Situation auf den Grund. Auch bei sogenannten Rückführungen kommt die Truppenpsychologin zum Einsatz – wenn Vorgesetzte einen Soldaten für nicht verwendungsfähig erklären. Es ist dann an Kellner, herauszufinden, warum jemand nicht mehr die erwartete Leistung bringt.

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