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Politik: „Eine Kette von kleinen Lichtblicken“

Nahostexperte Fürtig über die Konferenz, die Ziele der Rebellen – und die Aussichten des Irak

Was kann die heute beginnende Irakkonferenz in der jetzigen Situation leisten?

Es ist schon eine Leistung, dass die Konferenz mit diesem breiten Spektrum an Teilnehmerstaaten überhaupt zustande kommt. Durch die vielen Teilnehmer stoßen allerdings sehr unterschiedliche Interessen aufeinander. Darum bin ich sehr skeptisch, was die konkreten Ergebnisse angeht.

Wie lässt sich die Situation im Irak von außen überhaupt beeinflussen?

Die Amerikaner und die Briten haben natürlich das Ziel, mehr internationale Unterstützung einzuwerben, damit die Wahlen im Januar planmäßig über die Bühne gehen können. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Nachbarstaaten sich verpflichten, alles zu unterbinden, was die Lage im Irak weiter destabilisieren könnte. Eigentlich sollte aber über eine Gesamtlösung für den Irak gesprochen werden. Dazu müsste man den gegenwärtigen irakischen Widerstand in die Konferenz einbeziehen. Das wird nicht stattfinden. Darum bin ich – wie gesagt – skeptisch.

Wie groß ist der Rückhalt der Rebellen im Volk?

Der ist von Region zu Region verschieden. Im sunnitischen Dreieck lebt die Minderheit der sunnitischen Araber. Sie haben das Land bisher dominiert und durch den Umsturz am meisten verloren. Auf ihrem Frust bauen alte Saddam-Leute und aus dem Ausland pausenlos einsickernde Islamisten auf. Im schiitischen Süden ist es weitgehend ruhig, weil die Schiiten kein Interesse daran haben, die Januar-Wahlen zu gefährden.

Was wollen die Sunniten?

Sie wollen die Wahlen nach Möglichkeit verhindern. Das aber würde das Wahlergebnis von vorneherein entwerten. Denn dann ist klar, dass ein kleiner, aber einflussreicher Teil der irakischen Gesellschaft, ein wichtiger Teil der bisherigen Eliten, nicht mitmacht.

Gibt es Hoffnung auf Besserung der Lage?

Alle Fachleute, die im Vorfeld des Krieges vor dem Feldzug gewarnt haben, behielten im Nachhinein Recht. Das Desaster ist eingetreten, und daran ist kaum noch was zu ändern. Andererseits hat es in letzter Zeit auch Dinge gegeben, die viele Pessimisten nicht für möglich gehalten haben.

Zum Beispiel?

Es gibt eine Übergangsverfassung, es ist eine Übergabe der Teilsouveränität erfolgt. Es gibt eine provisorische Nationalversammlung – ein Notparlament, das der Regierung zur Seite steht. Und es ist immer noch nicht ausgeschlossen, dass die Wahlen im Januar stattfinden werden. Es gibt eine Kette von kleinen Lichtblicken. Ich will damit nicht die Lage beschönigen, aber sie ist nicht einfach nur hoffnungslos.

Das Gespräch führte Martin Gehlen.

HENNER FÜRTIG (51) ist Experte

für den Nahen Osten

am Deutschen

Orient-Institut in

Hamburg. Er ist Autor des Buchs

„Kleine Geschichte des Irak“

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