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Frankreich, Paris: Demonstranten stehen vor dem Arc de Triomphe. Bei den Demonstrationen der «Gelben Westen» in Paris . Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.

© Elyxandro Cegarra/ZUMA Wire/dpa

Eine Kolumne von Pascale Hugues: Brutale Wörter, die Angst machen

Politik war schon immer ein risikoreiches Geschäft. Wer sich zur Wahl stellt, sollte ein dickes Fell haben. Eine Kolumne.

Kritik, Spott, Beschimpfungen, manchmal ein geplatztes Ei am Kragen der Anzugjacke (Helmut Kohl) oder Farbe am Hals (Joschka Fischer), Politik war schon immer ein risikoreiches Geschäft. Wer sich zur Wahl stellt, sollte ein dickes Fell haben. Dazu am besten einen ausgeprägten Sinn für Humor und Schlagfertigkeit. Und natürlich einen Leibwächter. Attentate gehörten schon immer zu den möglichen Gefahren, denen Politiker ausgesetzt waren, wie Wolfgang Schäuble und Oskar Lafontaine am eigenen Leib erfahren mussten. Aber insgesamt brauchte man als Politiker in Europa nicht allzu sehr um sein Leben zu bangen.

Diese Zeiten scheinen für die westlichen Demokratien vorbei zu sein. Drohungen gegen Abgeordnete nehmen zu, die Hemmschwelle für körperliche Gewalt sinkt, wie der Angriff auf den Bremer AfD-Abgeordneten Frank Magnitz zeigt. In Frankreich ist das Ereignis nicht unbemerkt geblieben. Seit die Gelbwesten Kreisverkehre besetzen, haben die Abgeordneten der République en Marche von Emmanuel Macron unzählige Drohbriefe erhalten. Jeden Samstagabend sehen die Franzosen verblüfft in den Nachrichten neue Bilder der Gewalt auf den Straßen ihres Landes. Ein Polizist, der einen Demonstranten zu Boden prügelt. Ein Demonstrant in gelber Weste, der einen Polizisten niederschlägt. Vandalismus gegen die Büros von Abgeordneten steht auf der Tagesordnung.

Selbst ermächtigte Rächer schrecken auch nicht davor zurück, in die Wohnung der verhassten Subjekte einzudringen oder gar die Ministeriumstür des Regierungssprechers aufzubrechen. Es gibt Einschüchterungsversuche gegen Macrons Abgeordnete, manchmal auch Morddrohungen. Der Parteisprecherin von République en Marche wurde angedroht, man werde sie "köpfen" oder "aufhängen". Brutale Wörter, die Angst machen.

Wie soll man auf diese Welle der Gewalt reagieren? Wie Frank-Walter Steinmeier und Edouard Philippe republikanische Werte wie Toleranz und Gewaltlosigkeit beschwören? Soll man versuchen, die Ursachen zu verstehen? Warum fühlen sich so viele Leute unverstanden? Die Gewalt nährt sich von einem altbekannten demagogischen Bodensatz. Klassische antiparlamentarische Ingredienzen werden aufgetischt: die gut bezahlten, unfähigen Abgeordneten, die es sich auf unsere Kosten (zumindest in Frankreich) in Palästen gut gehen lassen und ihre Privilegien genießen, die sich einen Dreck um unseren Alltag kümmern, uns im Gegenteil mit ihren Steuern und Abgaben das Wasser abgraben.

Oder Macron ist so arrogant, unsere Klagen stoßen bei ihm auf taube Ohren, bitte weniger schöne Worte und mehr Empathie, Herr Präsident! Ganz ähnlich klingt es – nach verheerenden Monaten der Zwietracht in der großen Koalition – in Deutschland: Unsere Politiker werden nicht dafür bezahlt, sich den lieben langen Tag zu streiten, während wir auf unseren Problemen sitzen bleiben. Das Parlament sollte lieber an die Arbeit gehen, statt seine Zeit mit hohlen Worten zu verschwenden. Man wettert gegen die Eliten, die Privilegierten, die Reichen, gegen die Berliner und Pariser Elfenbeintürme.

Es lebe die direkte Demokratie, und notfalls helfe ein Schlag in die Fresse. Nicht ganz einfach für eine Regierung, in so einem gesellschaftlichen Klima deutlich zu machen, dass demokratische Prozesse langwierig und mühsam sind. Und dass es vor allem keine einfachen Lösungen gibt, und schon gar keinen Heilsbringer.

Aus dem Französischen übersetzt von Odile Kennel.

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