zum Hauptinhalt

Politik: Eine Mail zu viel

Die Justizministerin kann ihren Kandidaten nicht als obersten Ankläger durchsetzen – der zieht in letzter Sekunde die Notbremse

Von Robert Birnbaum

Berlin - Die Justizministerin bemüht sich um halbwegs geordneten Rückzug. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, versichert ihr Sprecher, könne die Entscheidung des Johannes Schmalzl „angesichts der verletzenden Diskussionen über seine Person verstehen“. Das ist insofern sicherlich nicht falsch, als die FDP-Ministerin ihrem Kandidaten für das Amt des Generalbundesanwalts nur dringend raten konnte, sich selbst aus dem Rennen zu nehmen. Das Kabinett hatte den Regierungspräsidenten von Stuttgart als obersten Ankläger vorgeschlagen, am Freitag sollte der Bundestag zustimmen. Doch dazu kam es gar nicht erst. Die Regierung zog den Tagesordnungspunkt in letzter Sekunde zurück.

Aus dem Grund für die hochnotpeinliche Notbremse machen Leute, die mit dem Vorgang vertraut sind, keinerlei Hehl: „Das war eine Mail zu viel“, seufzt ein Regierungsmitglied. Die Mail hat Schmalzl verfasst. Adressat war sein schärfster Kritiker. Man muss dazu wissen, dass es an der Beförderung des Karrierebeamten mit FDP-Parteibuch an die Spitze der Anklagebehörde in Karlsruhe von Anfang an Kritik gegeben hatte. Wie viel davon jeweils aus echter fachlicher Sorge motiviert war und wie viel vom Parteibuch gesteuert, war schwer auseinanderzuhalten. Als schärfster Widersacher tat sich der Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg hervor, erst in einem Brief an Leutheusser, dann auch öffentlich. Der Jurist Schmalzl, monierte SPD-Mann Rautenberg ruppig, sei nur drei Monate Staatsanwalt gewesen und habe auch sonst keine Justizerfahrung; seine Kenntnisse des Strafrechts lägen „weit unter dem Niveau der wissenschaftlichen Mitarbeiter“ jener Behörde, die er künftig leiten solle. Schmalzl reagierte nicht nur – er reagierte empört. „Niederträchtig“ sei seine Kritik, tippte der Regierungspräsident in seine Mail an Rautenberg und keilte zurück: „Nach meiner Einschätzung fehlt Ihnen jegliche charakterliche Eignung sogar zur Führung einer Kleinstbehörde.“ Am Montag drückte Schmalzl auf den Sendeknopf. Bis Donnerstag fand die Elektropost den Weg in die Redaktion des „Darmstädter Echos“. Der Nachhall fegte den Kandidaten Schmalzl hinweg. Die SPD-regierten Länder zogen ihre Unterstützung ebenso zurück wie Schmalzls grün-rote Heimatregierung. Der Bundesregierung, im Bundesrat ohne eigene Mehrheit, konnte nur noch die Reißleine ziehen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hatte es danach leicht, zu begründen, weshalb Schmalzl nicht mehr für das Amt infrage komme: Ein Generalbundesanwalt, stellte der Sozialdemokrat trocken fest, müsse härteste juristische Auseinandersetzungen führen: „Es ist besser, jemanden zu haben, der in schwierigen Situationen besonnener reagiert.“ Dem können auch Regierungsleute nicht widersprechen. Wer sich derart leicht provozieren lasse, tauge nicht zum Chef-Terrorverfolger, sagt einer. „Man sollte Kandidaten zwei Wochen vor ihrer Wahl in den Urlaub schicken“, ärgert sich ein anderer und sinniert über die Nachteile des schnellen Internets und die Vorzüge der preußischen Beschwerdeordnung: Die habe vorgeschrieben, eine Beschwerde erst abzuschicken, wenn man vorher eine Nacht darüber geschlafen habe.

Der Ratschlag kommt zu spät, die Blamage ist da. Dabei hatte sich die Regierung ohnehin schwergetan, die Wahl ihres Kandidaten im Bundesrat sicherzustellen. Im Rechtsausschuss hatte sich vor zwei Wochen keine Mehrheit gefunden, ein deutliches Warnsignal. Bis Donnerstagabend gelang es Leutheusser und Kanzleramtschef Roland Pofalla (CDU) dann doch, die SPD-Seite zu überzeugen. Die Union hatte Interesse am Erfolg – sie hatte sich beim Koalitionspartner ausbedungen, dass im Gegenzug ein Unionsmann, der Verfassungsrichter Rudolf Mellinghoff, als Präsident an den Bundesfinanzhof in München wechselt. Seit Schmalzls gemailter Wutausbruch bekannt wurde, wollen nicht nur SPD und Grüne, sondern auch CDU und CSU mit dem FDP-Kandidaten nichts mehr zu tun haben: Das sei jetzt ein Problem der Justizministerin.

Das kann man wohl sagen. Leutheusser muss sehr schnell einen neuen Bewerber herbeizaubern. Zum einen geht Generalbundesanwältin Monika Harms eigentlich Ende nächster Woche in Rente. Zum anderen ist Tempo politisch angezeigt. Die FDP hält sich viel auf ihre lange Tradition als Justiz- und Bürgerrechtspartei zugute. Da wäre es zumindest peinlich, wenn sie in ihren Reihen lange nach einem geeigneten Spitzenjuristen suchen müsste. In der FDP ist von einem Ersatzkandidaten bisher nichts bekannt. Die Anforderungen sind nach der Blamage deutlich gestiegen. „Der nächste Vorschlag für den Posten muss fachlich wie persönlich ohne Fehl und Tadel sein“, merkt der Linke Wolfgang Neskovic an. Den Satz wird jetzt wohl jeder unterschreiben

Meinungsseite

Zur Startseite