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Politik: Eine Niederlage zu viel

Nach der Schlappe bei den Regionalwahlen in Italien zerfällt Berlusconis Mitte-rechts-Lager

Seit sie im Juni 2001 an die Regierung gekommen ist, hat die Mitte-rechts-Koalition um Silvio Berlusconi stetig an Wählergunst verloren. Die letzte Niederlage – bei den Regionalwahlen vor zwei Wochen fielen 11 von 13 Regionen Italiens der Opposition zu – war eine zu viel. Nach einem ergebnislosen Krisengipfel am Donnerstag brach sich der Unmut der Koalitionsparteien am Freitag Bahn: Die kleine Union der Christdemokraten (UDC) zog ihren Vizepremier Marco Follini sowie ihre vier Minister und fünf Staatssekretäre aus der Regierung ab.

Und es drohte ein weiterer Absprung: Der Chef der rechtskonservativen Alleanza Nazionale, Außenminister Gianfranco Fini, hatte vor dem fast einstimmigen Rückzugsbeschluss der Christdemokraten gesagt: „Wir suchen nicht die Krise. Aber wenn die UDC geht, gehen wir auch.“ Die Stimmung in der Koalition lässt sich aus Berlusconis Bemerkung von Freitagmittag erraten: „Ich fürchte, so einfach kriegt ihr mich nicht los“.

Zwar ändert sich an den Mehrheitsverhältnissen in den zwei Parlamentskammern vorerst nichts. Die UDC will Berlusconis Regierung „von außen unterstützen“. Das Mitte-rechts-Lager verfügt rechnerisch über 60 Abgeordnete und 22 Senatoren mehr als die Opposition. Aber sicher vor „Heckenschützen“, wie man in Rom sagt, ist sie nicht. Einer Vertrauensabstimmung, wie sie Fini zur weiteren Legitimierung der Koalition vorgeschlagen hat, wollte sich Berlusconi nicht stellen. Er, der bis zuletzt behauptet hat, er habe in Italien mehr zum Besseren verändert als jeder Regierungschef vor ihm, fürchtet eine schmähliche Abwahl.

Nicht ohne Grund: Die Christdemokraten sind bei der Analyse der Wahlergebnisse zu dem Schluss gekommen, dass es mit Berlusconi „so nicht weitergehen“ könne. Sie wollten das Kabinett, das nach Finis Vorschlag nur eine Art neues Programm vorlegen und neue Versprechungen machen sollte, gar nicht mehr legitimieren. Sie forderten eine komplett neue Regierungsmannschaft. Die UDC sicherte Berlusconi zu, er könne Ministerpräsident bleiben und bis zu den Neuwahlen im Frühjahr 2006 amtieren – aber Berlusconi traute dem nicht, da in der Koalition bereits laut über einen neuen Spitzenmann nachgedacht worden war. So verweigerte er sich beim Krisengipfel am Donnerstag allen „Lösungsvorschlägen“ und sagte, er fürchte sich nicht vor einer Regierungskrise: „Der Ministerpräsident ist von der Mehrheit der Italiener gewählt und geht seinen Weg in Ruhe weiter. Wenn andere Verrat am Wählervotum üben, ist das nicht mein Problem.“

Berlusconi hatte in den vergangenen Tagen auch harte Kritik der EU und des Internationalen Währungsfonds an seiner Finanzpolitik einstecken müssen. Entgegen allen Beteuerungen Italiens gilt es als sicher, dass die Defizitgrenze von drei Prozent überschritten wird, erste Schätzungen sprechen sogar von sechs Prozent. Brüssel will deswegen ein Verfahren gegen Rom einleiten. Zudem wendet sich Italiens Wirtschaft gegen Berlusconi. Der oberste Industrie- und Arbeitgeberverband Confindustria nennt die Defizitzahlen einen „Albtraum“. Confindustria- und Fiat-Präsident Luca Cordero de Montezemolo verlangt, es müsse „jetzt endlich regiert werden“. Einen „Wahlkampf von der Dauer eines Jahres“ halte Italiens Wirtschaft nicht mehr aus, sagt Cordero de Montezemolo und fordert vorgezogene Neuwahlen.

Da Präsident Carlo Azeglio Ciampi am Freitag zu einem Staatsbesuch in Bulgarien weilte, blieb das weitere Schicksal der Regierung Berlusconi zunächst offen. Möglich ist, dass sich der am längsten amtierende Regierungschef des Landes von Ciampi eine Übergangsregierung genehmigen lässt. Sie würde bis zu den Wahlen 2006 amtieren. Möglich ist, dass Ciampi einen anderen Politiker mit der Bildung eines Übergangskabinetts beauftragt. Möglich sind auch die schnelle Auflösung des Parlaments und Neuwahlen noch vor den Sommerferien. Theoretisch könnte Berlusconi sogar weitermachen wie bisher. Er müsste aber jeden Tag damit rechnen, vom Parlament gestürzt zu werden.

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