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Politik: Eine Nische für den Krieg

„Made in Britain“ ist ein Markenzeichen in der Rüstungsszene. Besonders wenn es um Marinetechnik geht, gilt das einstige Weltreich zur See als gute Adresse.

Von Robert Birnbaum

„Made in Britain“ ist ein Markenzeichen in der Rüstungsszene. Besonders wenn es um Marinetechnik geht, gilt das einstige Weltreich zur See als gute Adresse. Nur logisch, dass die chinesische Marine Anfang der 90er Jahre auf der Suche nach einem Aufklärungsradar für ihre Y-8-Seefernaufklärer auf die britische Firma Racal stieß. Deren „Searchwater“-Radar tat es den Chinesen an. Sechs bis acht der Anlagen sind nach Erkenntnissen internationaler Rüstungsexperten wie des Friedensforschungsinstituts Sipri in Stockholm geliefert worden – mit Billigung der britischen Regierung. Da war das Waffenembargo gegen China schon sieben Jahre alt.

Der Fall „Searchwater“ ist einer von mehreren, in denen europäische Staaten das Embargo eigenwillig auslegten. Auch französische Hubschrauber und italienische Luftabwehrraketen gingen amtlich ins Reich der Mitte. Möglich wurden solche Geschäfte durch den Charakter des Embargos. Was die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Routinegipfel in Madrid am 26. Juni 1989 als Reaktion auf das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens beschlossen hatten, war nicht mehr als eine Absichtserklärung: „Unterbrechung der militärischen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Union mit China und ein Embargo auf den Waffenhandel“. Wie die Staaten das verstanden, war ihre Sache – anders als beim US-Embargo gibt es keine Liste verbotener Ausfuhren. Die Folge: Altverträge aus der Zeit vor dem Embargo wurden erfüllt; und im Lauf der Jahre legten Briten wie Franzosen das Embargo in ihrer Weise aus. Die Regierung in London schränkte 1995 das Exportverbot auf „tödliche Waffen“ und Munition, schweres Gerät und Ausrüstungsteile ein, die zur Unterdrückung im Inneren missbraucht werden könnten. „Searchwater“ fiel darunter nicht.

Dabei ist das Radarsystem typisch für die Sorte Rüstungsgüter, die die Chinesen nach Einschätzung von Experten besonders interessieren. An „Hardware“ – Panzer, Schiffe, Flugzeuge, Raketen – mangelt es der Volksarmee nicht. Wohl aber an dem ganzen Arsenal hauptsächlich elektronischer Komponenten, die eine moderne Kriegführung braucht: Aufklärung, Kommunikation, Feuerleitsysteme. „China sucht für seine militärische Revolution, die in erster Linie Luftwaffe und Marine betrifft, spezielle Nischentechnologien“, sagt Frank Umbach, Asienexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Russland, Hauptlieferant der „Hardware“ für den einstigen sozialistischen Bruder-Konkurrenten, kann damit nicht dienen oder will es nicht; die USA, die Kräfteverteilung vor ihrer pazifischen Haustür argwöhnisch im Blick, fallen als Verkäufer aus. Bleiben die Europäer – und sei es, um eine Euro-Option als Druckmittel zu nutzen, die Russen lieferfreudiger zu stimmen.

Viele der elektronischen Komponenten, um die es geht, wären als Dual- use-Güter zivil wie militärisch nutzbar. Die auf den ersten Blick unkriegerische Beteiligung Chinas an Europas geplanten „Galileo“-System ist ein Beispiel: Das Satellitensystem, als Alternative zum amerikanischen GPS im Bau, kann nicht nur Autofahrer an ihr Ziel bringen, sondern auch Raketen. China, sagt Umbach, könnte damit die Treffgenauigkeit seines Raketenarsenals auf zehn Meter verbessern. Genau genug, um aus einem veralteten Schießgerät eine moderne Waffe zu machen.

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