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Politik: Eine Opec fürs Gas

Russland, Iran und Katar wollen Kartell spätestens 2009 gründen – mit Libyen?

Der letzte Besuch des libyschen Revolutionsführers Muammar al Gaddafi, der am Freitagabend zu einem dreitägigen Besuch in Moskau eintraf, liegt mehr als zwanzig Jahre zurück. Nach dem Ende der Sowjetunion war das Verhältnis zwischen beiden Staaten sehr abgekühlt. Das Eis war erst im April gebrochen, als Wladimir Putin dem nordafrikanischen Wüstenstaat seinen letzten Besuch als Präsident abstattete. Moskau sagte Tripolis damals neben Waffenlieferungen auch umfangreiche Investitionen zu: Den Bau einer Bahnlinie und die gemeinsame Erschließung und Ausbeutung libyscher Öl- und Gasvorkommen.

Um Gas geht es auch bei Gaddafis Konsultationen mit Premier Putin und Präsident Dmitri Medwedew. Vor allem um das geplante Kartell der Gasexporteure. Über dessen Gründung hatte sich Gasprom-Chef Alexej Miller mit den Ölministern des Golfemirates Katar und Iran Mitte Oktober in Teheran definitiv verständigt. Erste Sondierungsgespräche dazu fanden bereits Anfang April 2007 in Doha, der Hauptstadt von Katar, statt. Dort soll im November auch eine trilaterale Kommission mit den Vorbereitungen der offiziellen Gründungskonferenz beginnen, die für Anfang kommenden Jahres in Moskau geplant ist.

Das Projekt firmiert unter dem Arbeitstitel „Große Gas-Troika“. Zu Recht: Zusammen kontrollieren Russland, Iran und Katar über 60 Prozent der gegenwärtig weltweit erkundeten Vorkommen. Über die Hälfte des Restes entfällt auf die zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken und Aserbaidschan im Südkaukasus. Sie will Russland ebenfalls für das neue Kartell gewinnen, um das „Nabucco“-Projekt zu verhindern: Eine Gaspipeline, mit der die EU sich den Zugriff auf die Vorkommen der Region verschaffen will. Vor allem in Aserbaidschan liefern Russland und Europa sich momentan einen knallharten Verdrängungswettbewerb.

Neben Algerien – nach Russland zweitwichtigster Gaslieferant für Westeuropa – hat auch Libyen Interesse an der neuen Gas-Troika angemeldet. USA und EU laufen Sturm gegen das Projekt: Beim Handel von Energieträgern müsse das Prinzip der freien Konkurrenz gelten. Russland, keilte Gasprom-Chef Miller im hiesigen Fernsehen umgehend zurück, werde sich dadurch nicht aufhalten lassen, „die Zeiten billiger fossiler Brennstoffe seien definitiv passé“. Die große Gas-Troika soll daher nicht nur Beschlüsse über den Zeitplan für die Erschließung neuer Lagerstätten in den Mitgliedstaaten und über Korridore zur Trassenführung von Pipelines fassen, sondern auch konkrete Preisabsprachen treffen. Irans Ölminister Golamhossein Nosari spricht offen von einer Gas-Opec, in Anlehnung an die „Organisation erdölexportierender Länder“. Über deren Bildung sei Konsens erzielt worden.

Die Interessenlage der Gründer ist dennoch sehr unterschiedlich. Teheran ist vor allem an einer Modernisierung seiner maroden Infrastruktur interessiert. Auch wegen des bereits Jahrzehnte dauernden US-Embargos sind Förderanlagen und Rohrleitungen verschlissen. Russland dagegen strebt die Kontrolle der gesamten Vorkommen der Anrainer des Kaspischen Meers an. Die Abhängigkeit des Westens von russischem Gas würde so weiter wachsen. Europa, so die englischsprachige Wochenzeitung „Moscow News“, habe sich das Desaster durch seine Iranpolitik selbst eingebrockt. Für eine Kehrtwende sei es jetzt zu spät, die Gas-Troika nicht mehr zu verhindern.

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