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Politik: Eine Pro-Kraft-Wahl

Politologin macht Stärke der Herausforderin von Rüttgers für Wahlergebnis mitverantwortlich

Berlin - Was war das nun in NRW – eine Landeswahl oder doch ein Warnsignal an die Bundesregierung? Für Julia von Blumenthal, Politikprofessorin an der Humboldt-Universität, war die Mischung ausschlaggebend: Sowohl landes- als auch bundespolitische Aspekte haben dazu geführt, dass Schwarz-Gelb in Düsseldorf am Sonntag abgewählt worden ist. Allerdings haben die landespolitischen Themen letztlich wohl den Ausschlag gegeben. Denn für 55 Prozent der Wähler, ergab die Analyse der Forschungsgruppe Wahlen, standen Landesthemen im Vordergrund, von denen die Bildungspolitik das wichtigste war. Für 41 Prozent war die Politik im Bund wichtig, laut Blumenthal stand hier die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik vorn, weniger die Griechenlandkrise. Lediglich 15 Prozent gaben in der Befragung an, einen Denkzettel nach Berlin schicken zu wollen.

Ist also Jürgen Rüttgers der Hauptschuldige für das Debakel? Blumenthal sieht das nicht so. „Es war keine Anti- Rüttgers-Wahl, auch wenn die Landes- CDU deutliche Mobilisierungsprobleme hatte, was wohl auch mit Pannen im Land zu tun hatte“, sagte sie dem Tagesspiegel. Eher könne man das Ergebnis als „Pro-Kraft-Wahl“ sehen, meint die HU- Politologin. Der SPD-Spitzenkandidatin ist es demnach gelungen, den Amtsbonus von Rüttgers zu neutralisieren und mit guten Werten als Herausforderin zu trumpfen. Und die Kanzlerin? Hat sie zu wenig Führung gezeigt und daher CDU-Anhänger enttäuscht? „Ich wäre da vorsichtig“, sagt Blumenthal. Denn die Kanzlerin habe ja durchaus eine Führungsrolle auf europäischer Ebene übernommen. An ihrem Führungsstil habe es wohl nicht gelegen, dass Schwarz-Gelb verloren habe.

Dann mehr an der FDP? Blumenthal hält das Abschneiden der Liberalen auch deshalb für vergleichsweise schlecht, weil in NRW am Sonntag erstmals mit Zweitstimme gewählt worden ist. Stimmensplitting zugunsten der FDP habe es wohl nicht im sonst üblichen Maß gegeben. Zudem hat der vermeintliche Wahlkampfschlager – die Steuersenkung – nicht so recht gezogen. Denn wie eine Umfrage am Wahltag zeigte, sind selbst 62 Prozent der FDP-Anhänger der Meinung, dass es vor 2012 noch nicht möglich sei, Steuern zu senken. Unter allen Befragten sahen das 64 Prozent so.

Doch was nun? Die FDP, so Blumenthal, habe zwei Möglichkeiten. Einerseits könnte sie versuchen, trotz allem Kurs zu halten und mehr Profilschärfe durch den Konflikt in der Koalition auch in der Steuerpolitik zu gewinnen. Andererseits aber könnten die Liberalen hier jetzt stärker auf Kooperation setzen und sich zur Eigenprofilierung ein anderes Feld erschließen: die Rechts- und Innenpolitik. Hier ist die FDP laut Blumenthal derzeit eher schwach aufgestellt. „Frau Leutheusser- Schnarrenberger hat ihre Rolle als Justizministerin in der Bundesregierung ganz offenkundig noch nicht gefunden. Sie ist sozusagen die Überraschungsenttäuschung innerhalb der Koalition.“

Alles andere als enttäuscht sind die Grünen nach diesem Wahlabend. Dass die Partei es auch in dem „ungrünen Flächenland“ NRW geschafft habe, deutlich zweistellig abzuschneiden, sei ein Zeichen dafür, dass die Grünen es mittlerweile geschafft hätten, sich dauerhaft breitere Wählerschichten zu erschließen. „Es gibt nun eine größere bürgerliche Klientel, die dauerhaft grün wählt.“ Und sie konnten laut Forschungsgruppe Wahlen vor allem bei den jüngeren Wählern bis 44 Jahre erheblich zulegen. Während CDU wie auch SPD überdurchschnittlich stark nur noch bei den über 60-Jährigen sind. Albert Funk

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