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Politik: „Eine S-Klasse bräuchte nur drei Liter“

Was der amerikanische Physiker Amory Lovins der deutschen Autoindustrie beim Klimaschutz rät

Wenn der UN-Weltklimareport mit seinen ungünstigsten Annahmen recht hat, können Sie noch zu Ihren Lebzeiten Bananenstauden außerhalb ihres Atriums in den Rocky Mountains anpflanzen. Was können wir gegen den Klimawandel tun?

Der größte Teil der Treibhausgasemissionen entsteht weltweit bei der Verbrennung von Öl im Verkehr – etwa 42 Prozent – und der Erzeugung von Strom – etwa 40 Prozent. Wenn dabei massiv Energie gespart würde, hätten wir einen Großteil des Klimaproblems im Griff.

Wie sehen die Lösungen konkret aus?

Ein Großteil der politischen Diskussion über das Klima krankt an einem Symbolirrtum: Plus- und Minuszeichen werden verwechselt. Die Politik diskutiert über Kosten, Verluste und Verzicht. Aber jeder Praktiker weiß, dass das nicht stimmt. Es ist billiger, Treibstoff zu sparen, als ihn zu kaufen. Die Diskussion sollte sich also über Gewinn, Arbeitsplätze und Wettbewerbsvorteile drehen. Es braucht keine allzu große Steigerung unserer Energieeffizienz, um das Klima zu schützen. Die ökonomische Theorie nimmt an, dass die Energieproduktivität jedes Jahr um etwa ein Prozent zunimmt. Wären es zwei Prozent, könnten wir die Kohlendioxid-Emissionen stabilisieren, wären es drei Prozent, würde sich das Klima stabilisieren.

Wäre das denn zu schaffen?

Die USA haben das viele Jahre lang geschafft, ohne das auch nur zu beachten. Allerdings waren wir nicht besonders effizient, als wir damit angefangen haben. Aber inzwischen sind die Unterschiede gering. China hat seine Energieproduktivität seit mehr als 20 Jahren jährlich um mehr als fünf Prozent gesteigert. Viele Konzerne schaffen acht bis neun Prozent pro Jahr und verdienen gutes Geld damit.

Warum wird es dann nicht gemacht?

Ein Problem ist die Dominanz von Ökonomen, die glauben, wenn die Preise stimmen, funktionieren die Märkte perfekt. Tatsächlich gibt es aber mindestens 60 altbekannte Marktbarrieren, die das verhindern.

Ein Marktversagen sind Energiemonopolisten wie in Deutschland, wo vier große Konzerne den Strommarkt unter sich aufteilen und noch dazu ihr Geld damit verdienen, möglichst viel Strom zu verkaufen.

Das stimmt. Die deutsche Struktur ist sehr wettbewerbsfeindlich. In einigen US-Staaten ist dieses Problem durch eine neue Regulierung gelöst worden. Dort verdienen die Energiekonzerne ihr Geld nicht damit, möglichst viel Energie zu verkaufen, sondern sie verdienen daran, wenn sie den Kunden beim Energiesparen helfen. Das verändert ihr Verhalten dramatisch. Die Stromrechnungen der Haushalte sinken dadurch beständig. In den USA könnten drei Viertel der Stromkosten durch Energiespartechniken aus den 80er Jahren vermieden werden. In Deutschland ist das ähnlich.

Was für Techniken sind das?

Es gibt ein paar tausend. Ein Beispiel: Drei Fünftel der elektrischen Energie werden für Motoren eingesetzt. Es gibt 35 Möglichkeiten, den Verbrauch zu senken, zum Teil durch minimale technische Veränderungen. Oft werden aber nur drei Verbesserungen umgesetzt, weil auch das schon enorme Kosten spart.

Denken die Ingenieure über die falschen Dinge nach?

Ja, vermutlich. Wir haben viele Firmen, vor allem in der Schwerindustrie, beraten und stellen fest, dass 40 bis 60 Prozent der Energiekosten eingespart werden können zu Kosten, die in zwei bis drei Jahren wieder hereingespielt werden. Mein Haus auf 2000 Metern in den Rocky Mountains ist so gut isoliert, dass wir keine Heizung brauchen. Und das obwohl man jeden Tag Frost haben kann.

Was kann man beim Verkehr tun? Autofahren wird sich nicht abschaffen lassen.

Mit existierenden Technologien lassen sich Autos mit viel weniger Gewicht bauen. Wir haben einen Geländewagen mit einer Karosserie aus modernen Kohlenstofffasern und ultraleichtem Stahl gebaut, der etwa vier Liter Benzin pro 100 Kilometer verbraucht, als Diesel verbraucht er noch weniger und gerade mal 1,2 Liter als Hybridauto. Die Hybridvariante ist etwa 2500 Dollar teurer als ein normales Auto. Sonst unterscheiden sie sich auch im Preis nicht von anderen Fahrzeugen dieser Kategorie. Diese neuen Materialien sind härter als Stahl und noch sicherer als die bisher eingesetzten.

Die Deutschen könnten also weiter große Autos bauen und trotzdem die Vorgaben der Europäischen Union für den Kohlendioxid-Ausstoß einhalten?

So ist es. Die deutschen Ingenieure sind so gut, dass ich überzeugt bin, dass sie wieder Weltklasse werden können. Allerdings müssen die Konzerne entsprechende Vorgaben machen und Klimaschutz und sparsamen Verbrauch als wichtige Aufgabe ansehen. Anderenfalls fürchte ich um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autobauer.

Was macht Autos so ineffizient?

Vor allem ihr Gewicht. Tatsächlich gehen auf dem Weg vom Tank zum Reifen sieben Achtel der eingesetzten Energie verloren. Und das nach 120 Jahren intensiver Ingenieurarbeit seit der Erfindung des Autos. Wir können aber zehnmal besser werden.

Kleine Autos sind also nicht besser?

Nicht unbedingt. Beim Parken bestimmt, aber auch große Autos können leicht sein. Auch eine S-Klasse ließe sich mit drei Litern pro 100 Kilometer bewegen.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

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