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Politik: Einer für alle

Südafrikas Präsident Mbeki sieht sich als Anwalt ganz Afrikas – auf Kosten seines Landes, finden seine Kritiker

Von Wolfgang Drechsler,

Johannesburg

Das internationale Parkett ist seine Bühne. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki genießt große Auftritte wie die Eröffnung des UN-Weltgipfels in Johannesburg, der laut Statistik größten UN-Veranstaltung aller Zeiten. Dann spricht Mbeki, der am Montag zum Präsidenten des Gipfels gewählt wurde, auch gerne von seinem Lieblingsthema: Der tiefen Kluft zwischen Afrika, als dessen Anwalt er sich fühlt, und dem Rest der Welt. Und immer wieder mahnt er bei solchen Gelegenheiten, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen. Die Welt, so sagt er, sei zu einem globalen Dorf geworden, in dem sich die Bewohner zum Überleben auf einen Konsens verständigen und gemeinsam handeln müssten.

Genau davon hat Mbeki auch beim letzten G-8-Gipfel in Kanada gesprochen, auf dem er mit den Regierungschefs der wichtigsten Industriestaaten seine „Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas“ (Nepad) diskutierte. Das unter seiner Federführung entstandene Programm, das Demokratie und Wirtschaft auf dem schwarzen Kontinent stärken soll, enthält Mbekis Vision für das Afrika des 21. Jahrhunderts. Für den 60-Jährigen ist die neu gegründete Afrikanische Union der Rahmen und Nepad der Mechanismus, mit dem die verkrustete politische und soziale Ordnung auf dem schwarzen Kontinent aufgebrochen werden soll.

Mbekis Führungsanspruch kommt nicht von ungefähr: Südafrikas Wirtschaft ist fast viermal größer als die der 14 Mitglieder der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) zusammen. Der Johannesburger Aktienmarkt bündelt 90 Prozent des Börsenwertes des gesamten Kontinents. Südafrikas Banken, Brauereien, Bergbaufirmen, Hotelgruppen, Mobilfunkanbieter und Supermarktketten expandieren afrikaweit. Anders als die meisten anderen Staaten des Kontinents verfügt die Kaprepublik über ein hoch entwickeltes Finanz- und Rechtssystem.

Angesichts dieser Ausnahmestellung kritisieren politische Beobachter, dass Mbeki Südafrikas Schicksal zu eng mit dem Rest des Kontinents verknüpft habe, sich das Land damit übernehmen könnte und dass der Präsident die Probleme der Republik vernachlässige. „Es wäre besser gewesen, nur mit Südafrika zu starten und es zum Vorbild für die anderen Staaten zu machen“, sagt Ken Owen, Ex- Chefredakteur der Johannesburger „Sunday Times“, Südafrikas einflussreichster Zeitung.

Mbekis intensive Beschäftigung mit panafrikanischen Fragen und seine Vorliebe für – oft wenig effektive – Allianzen mit Entwicklungs- und Schwellenländern führt dazu, dass er immer seltener im eigenen Land weilt. Auftritte im Parlament haben Seltenheitswert. Anders als sein Vorgänger Nelson Mandela hat sich Mbeki dort so rar gemacht, dass selbst im Afrikanischen Nationalkongress (ANC) über den unsichtbaren Mann an der Spitze gemurrt wird. Während Mbeki im Rahmen von Nepad für eine stärkere Dezentralisierung plädiert, hat er sein Präsidentenbüro zielstrebig zum Zentrum der Macht ausgebaut und die wichtigsten Schaltstellen in Staat und Verwaltung systematisch mit ihm bedingungslos ergebenen Leuten besetzt.

Obwohl sich der ANC zu einem konservativen Wirtschaftsprogramm bekennt, begegnen inzwischen auch die Wirtschaftskapitäne am Kap dem Präsidenten zunehmend mit Vorbehalten. Im Ausland hat man mit großem Unbehagen registriert, wie beharrlich Südafrikas Präsident zu Terror und Anarchie im benachbarten Simbabwe schweigt. Noch unverständlicher ist für viele, dass Mbeki daran festhält, dass der HI-Virus in Afrika allenfalls eine von vielen Ursachen von Aids sei. Und schließlich gilt die anhaltend hohe Gewalt als Achillesferse seiner Regierung.

Auf Kritik reagiert der Präsident dünnhäutig. Parteiinternen Kritikern hat er erst vergangene Woche einen Austritt aus dem ANC nahe gelegt, da hier Mehrheitsentscheidungen gelten würden. „Mbeki leidet unter einem Überheblichkeitskomplex und verhält sich bisweilen wie ein wohlmeinender Diktator, der stets zu wissen meint, was für Südafrika, den Kontinent und die Welt gut ist“, konstatiert die „Sunday Times". In den vergangenen Wochen hat Mbeki allerdings auch seine Kollegen in Afrika zu demokratischen Reformen ermuntert. Beobachter wie Steven Friedman vom Johannesburger Institut für politische Studien werten dies, wie auch die wichtige Rolle Mbekis bei der Unterzeichnung eines Friedensvertrags für den Kongo, als ein gutes Omen. „Wenn Mbeki im Westen Respekt für den eigenen Kontinent gewinnen will, muss er zeigen, dass Afrikaner sich erfolgreich regieren können.“

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