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Politik: Einer reicht nicht

Von Robert Birnbaum

Machtkämpfe im demokratischen Parteienwesen haben häufig etwas Theatralisches. Mit großer Geste tritt der amtierende Machthaber auf die öffentliche Bühne, seinen Anspruch zu untermauern, derweil drunten in den Reihen die Insubordination vonstatten geht… Man kennt dergleichen, und vor allem von der FDP. Über viele Jahre hinweg war die lautstark inszenierte Kabale geradezu das Lebenselixier der Freien Demokratischen Partei. Die kleine Oppositionspartei wurde durch interne Machtkämpfe wahrnehmbar. Das kam ihr über viele Jahre hinweg zupass, und es kam auch ihrem Vorsitzenden ganz recht. Guido Westerwelle hat immer wieder über interne Widersacher gesiegt. Er hat jedes Mal seine Stellung gefestigt. Vielleicht wirkt er gerade deshalb jetzt vor der so ganz anders gearteten Herausforderung des Wolfgang Gerhardt ein wenig ratlos.

Denn mit seinem „kleinen Wahlprogramm“, vor allem aber durch die Art und Weise, wie er das Programmpapier begründet hat und seither verteidigt, hat Gerhardt durchaus die klassischen Eröffnungszüge eines Machtkampfs vorgeführt. Bloß die Fortsetzung fehlt. Wie sollte sie auch aussehen? In vier Wochen soll und muss ein Parteitag die Führungsspitze bestätigen, und zwar anständig, schon der Landtagswahl in NordrheinWestfalen wegen. Die soll zwei Wochen später den Test auf die Mehrheitsfähigkeit des bürgerlichen Lagers liefern. Für die FDP und ihren Vorsitzenden ein heikler Test. Bliebe die FDP, wie zuletzt in Schleswig-Holstein, auch in Düsseldorf hinter den Erwartungen, hätte sie prompt den Leichtmatrosen-Vorwurf am Hals.

Als Liebhaber subtiler Verschwörungstheorien könnte man nun sagen: Auf genau diese Situation hat sich Gerhardt vorbereitet. Aber man ginge dann wieder dem alten Kabalemuster auf den Leim. Der Vorstoß des Fraktionschefs zielt nicht auf die Macht, jedenfalls nicht auf Westerwelles Macht, also die Position des Vorsitzenden. Gerhardt will nicht Parteichef werden. Er will aber erkennbar Macht gewinnen darüber, was die FDP ist und wie sie sich darstellt.

Es geht dabei weniger um Inhaltliches. In Gerhardts 37 Seiten steht nichts, was Westerwelle nicht unterschreiben kann. Es geht um Art und Stil der Darstellung. Die war bisher – auch dies eine Folge der Machtkampfphase – unausgesprochen beim Vorsitzenden monopolisiert, ebenso wie der Anspruch auf umfassende Programmatik. Gegen dieses Monopol richtet sich Gerhardts Programm. Dass Westerwelles scheidende Generalin Pieper, aus welchen unglückseligen Umständen auch immer, die Ergebnisse ihrer Programmkommission vorerst nicht präsentieren kann, befrachtet den Vorgang zusätzlich.

Also eine Schwächung des FDP-Chefs? Wenn er selbst das so behandelt, als Machtkampf eben und als Hase-und- Igel-Spiel um den besten Programmatiker: dann Ja. In Gerhardts Vorstoß steckt aber eine Chance. Seit das Projekt 18 tot ist, muss die FDP ihre Basis auf andere Weise verbreitern. Westerwelle allein kann das nicht. Auch ein Generalsekretär Dirk Niebel allein kann das nicht, wenngleich der Neue Chancen hat, dem Amt etwas von der alten Bedeutung zurückzugeben. Gerhardt kann es ins Solid-Bürgerliche hinein. Ein Stückchen Machtkampf steckt also in der Sache doch. Wenn es mit dem Machtwechsel 2006 klappt, wird Gerhardt dem Vordermann auf dem Tandem auf die Schulter klopfen – und seine Siegtrophäe einfordern.

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