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Einfach radikal: Was Paul Kirchhof vorschlägt

Mitten in die Steuersenkungsdebatte der Koalition hinein präsentiert der Finanzexperte Paul Kirchhof ein Konzept zur Steuervereinfachung.

Von Antje Sirleschtov

Das Steuerkonzept des Paul Kirchhof folgt einer einzigen Idee: der radikalen Vereinfachung. Statt 30 unterschiedlicher Steuerarten kennt sein Konzept nur noch vier, statt 33 000 Paragrafen kommt er mit 146 aus und statt eines undurchsichtigen Dschungels von Möglichkeiten, sich so arm zu rechnen, dass man kaum noch Steuern zahlen muss, setzt Kirchhof auf einen Drei-Stufen-Tarif ohne Absetzmöglichkeiten.

Im Zentrum des Modells steht die Einkommensteuer. Heute gibt es einen linear-progressiven Tarifverlauf, der dafür sorgt, dass jeder zusätzlich verdiente Euro mit einem höheren Prozentsatz besteuert wird als der vorige. Wobei es für Erwachsene einen Freibetrag von 8004 Euro und für Kinder von 7008 Euro gibt. Der erste darüber hinaus verdiente Euro wird mit 14 Prozent besteuert, der 52 881. und jeder weitere Euro mit dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Oberhalb dessen greift eine Reichensteuer von 45 Prozent. Für Kirchhof ist das progressive System leistungsfeindlich. Er teilt jedem Familienmitglied, ob Erwachsenem oder Kind, einen Freibetrag von 10 000 Euro zu. Wer darüber hinaus zwischen 10 001 und 15 000 verdient, zahlt 15 Prozent Steuern, für jeden Euro zwischen 15 001 und 20 000 Euro zahlt man 20 Prozent und darüber 25 Prozent. Ausnahmen, wie die Pendlerpauschale, gibt es nicht mehr.

Ganz anders als heute sieht Kirchhof auch die Besteuerung von Kapitalerträgen und die Unternehmensbesteuerung. Kapitalerträge werden unter Kirchhof wie Arbeitslohn besteuert und Unternehmen zahlen auch 25 Prozent – wobei das anders als heute für alle Unternehmen gilt. Statt einer Gewerbesteuer, die heute obendrauf kommt, sollen künftig alle Steuerzahler einen Kommunalzuschlag zahlen, der von Kommune zu Kommune unterschiedlich ausfallen wird.

Bei der Erbschaftsteuer gelten heute komplizierte Regelungen. Je nach Verwandtschaftsgrad zahlt man zwischen 7 und 50 Prozent. Kirchhof vereinfacht das. Alle Erben zahlen zehn Prozent, es gelten großzügige Freigrenzen für Kinder. Das Erben unter Ehepartnern bleibt komplett steuerfrei. Auch die Umsatzsteuer macht Kirchhof einfacher. Er behält den Satz von 19 Prozent zwar bei und auch manche Ausnahmen davon (Lebensmittel etwa). Dafür lässt er die Steuer im Verkehr zwischen Unternehmen weg. Nur noch Endverbraucher (auch wenn sie Unternehmen sind) zahlen sie. Auf bestimmte Waren (Energie etwa) erhebt Kirchhof eine Verbrauchssteuer.

Wichtig für die Bewertung des neuen Steuermodells und letztlich seine Realitätstauglichkeit ist die Frage, ob der Staat danach mehr oder weniger Steuern einnehmen wird. Wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz wären Milliarden-Mindereinnahmen des Staates nach der Einführung des Steuermodells nicht zu verkraften. Kirchhof behauptet, sein Modell sei „aufkommensneutral“, es würden dabei also nicht weniger Steuern eingenommen, allerdings würden sie (wegen der fehlenden Abschreibungsmöglichkeiten) gerechter verteilt. Steuerexperten haben aber schon 2005 davor gewarnt, dass der Staat bei einer Umstellung des Systems über Jahre hinweg mit Einnahmeverlusten zu rechnen habe.

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