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Politik: Eingebürgerung wird zum geographischen Zufall (Kommentar)

Marieluise Beck hat ein wichtiges Wächteramt im Staat. Sie ist Ausländerbeauftragte der Bundesregierung.

Marieluise Beck hat ein wichtiges Wächteramt im Staat. Sie ist Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Gestern legte sie den Bericht zur Lage der Ausländer in Deutschland vor - und hatte damit eine der seltenen Chancen, die Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken.

Doch den Ausführungen fehlte es an Schärfe. Marieluise Beck forderte, was sie fordern muss: eine bessere Integrationspolitik, - wer wollte dem widersprechen? Bessere und mehr Ausbildung - natürlich. Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt - selbstverständlich, vor allem da Beck für das Jahr 1998 einen "historischen Höchststand" der Arbeitslosigkeit von Ausländern festgestellt hat. So weit dieser Teil ihres Berichts, so richtig und selbstverständlich, dass er Gefahr läuft, heute beachtet und morgen vergessen zu werden.

Doch wo Schatten ist, ist auch Licht. Dieses Licht hat die Ausländerbeauftragte im neuen Staatsbürgerschaftsrecht ausgemacht. Das überrascht. Für die Grünen, die mehr erreichen wollten, war das Gesetz eine schmerzliche Niederlage. Nun wird es von einer Grünen als "Meilenstein" verteidigt.

Dabei ist die Euphorie einen Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes längst verflogen. Was nützen kürzere Fristen für die Einbürgerung, wenn die Hürden für manche fast unüberwindbar sind? Da ist die finanzielle Seite: Die Gebühren für die Einbürgerung wurden von 100 auf 500 Mark erhöht, bei minderjährigen Kindern, die miteingebürgert werden, sind es 100 Mark. Das ist viel Geld, vor allem für kinderreiche Familien. Da sind die Sprachtests, die die Länder gestalten können wie sie wollen. Bayern etwa stellt hohe Anforderungen. Die Einbürgerung wird dadurch oft verhindert - was gewollt ist. Das kritisiert Beck zurecht. Ein großes Hindernis ist schließlich die Überprüfung der Verfassungstreue, die ebenfalls von Land zu Land unterschiedlich erfolgt. Die Chance, eingebürgert zu werden, wird zum geographischen Zufall. Das darf nicht sein.

Und dann das Optionsmodell. Noch vor kurzem sagte Beck, sie sei davon "nicht wahnsinnig überzeugt". Und plötzlich ist es ein Fortschritt? Nach Optionsmodell bekommen hier geborene Kinder einen Doppelpass. Mit 18 müssen sie sich für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Tun sie das nicht, verlieren sie mit 23 den deutschen Pass. Wie soll das gehen? Sollen die Behörden den Lebensweg der Betreffenden verfolgen? Das ist unmöglich, vor allem wenn der Gesuchte inzwischen im Ausland lebt. Eine kuriose Folge allerdings könnte dies am Ende haben: Die faktische Einführung des ständigen Doppelpass, den die Grünen immer so gerne wollten.

Beatrice von Weizsäcker

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