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Politik: Einheitsfeiern: Bei der Gala der "Werkstatt Deutschland" entwerfen Politikerinnen aus dem In- und Ausland ihr Bild des Kontinents

Im Berliner Schauspielhaus am Gendarmenmarkt läutete am Montagabend die "Werkstatt Deutschland" mit internationalen Gästen den zehnten Jahrestag der Einheit ein. Dieser Verein hat eine Tradition begründet.

Im Berliner Schauspielhaus am Gendarmenmarkt läutete am Montagabend die "Werkstatt Deutschland" mit internationalen Gästen den zehnten Jahrestag der Einheit ein. Dieser Verein hat eine Tradition begründet. Im Schauspielhaus, wo am 2. Oktober 1990 die DDR mit einem Festakt verabschiedet wurde, lädt er seit 1993 alle Jahre zum Nachdenken über Realitäten, Befindlichkeiten, Visionen im neuen Deutschland ein. Es war diesmal eine heitere "politische Gala" der Freude und Zuversicht. Jugendliche gaben den musikalischen, ausschließlich Frauen den politischen Ton an, sieht man von Lothar Späth als Moderator und einem Grußwort des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen ab, der Schirmherr war.

Beim schwierigen Stand der inneren Einheit hielt sich niemand mehr lange auf. Hervorgehoben wurde die Bedeutung der deutschen Einheit für das Zusammenwachsen Europas. Die finnische Staatspräsidentin Tarja Halonen nannte in ihrer Festrede die EU-Erweiterung "das wichtigste und konkreteste Mittel zur Förderung von Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in Europa". Aber weil die Welt nicht an den Grenzen Europas endet, müsse die EU ihr Augenmerk auf die Zusammenarbeit mit anderen richten: "Stabilität und Wohlstand in unserer Nachbarschaft bedeuten auch Stabilität und Wohlstand für uns."

Der Kalte Krieg habe gelehrt, dass Frieden und Sicherheit mehr sind als die Abwesenheit von Krieg: "Sicherheit kann nicht auf starke Grenzen und Armeen gebaut werden. Sicherheit entsteht vor allem durch die Stärkung von Demokratie, Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit und sozialer Gerechtigkeit." Wichtiger als Waffen sei für die Konsolidierung des Friedens eine breite zivile Zusammenarbeit: "Sicherheit im Alltag ist die beste Garantie für Frieden und Stabilität und gegen den Krieg." Sie erinnerte an die Herausforderungen im Kampf gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit.

Die Hoffnungen in die deutsche Rolle für Europa artikulierten die Französin Brigitte Sauzay, Beraterin von Bundeskanzler Gerhard Schröder, und die frühere polnische Ministerpräsidentin Hanna Suchocka. Europa brauche das Deutschand, "das sich jetzt abzeichnet, das Ja sagt zur Nation, weil es keine Angst mehr hat vor nationalistischen Sonderwegen", das zu sich selbst und zu den anderen gefunden habe, das Deutschland der mündigen Bürger, meinte Frau Sauzay. Und Frau Suchocka sieht eine Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen in den letzten zehn Jahren. Nach anfänglichen Befürchtungen in Polen überwiege heute die Hoffnung durch die Einheit: "Wir stehen im Warteraum zur Europäischen Union." Gesine Schwan, die Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, hat eine deutsche und eine polnische Studentin mitgebracht. Beide bekannten, dass für sie Europa wichtiger sei als die Nation. Erst recht spielen für junge Leute Ost-West-Gegensätze keine Rolle mehr, wie Bundesministerin Christine Bergmann (Ost) meinte: "Sie begegnen sich auf gleicher Augenhöhe."

Auch von Zivilcourage war viel die Rede - eingedenk der Bürgerrechtsbewegung der DDR, die mit der friedlichen Revolution entscheidenden Anteil am Weg in die Einheit hatte. Marianne Birthler, die aus der Bürgerrechtsbewegung kam, und Hildegard Hamm-Brücher, die große alte Dame der FDP, philosophierten darüber.

Die CDU-Chefin Angela Merkel (Ost) zog am Ende im Blick auf Deutschland Bilanz. Zu ihren schönsten Erfahrungen in zehn Jahren Einheit zählt sie "die unendliche Vielfalt des freien Engagements". Aber sie vermisst auch etwas: eine "bessere Debatten- und Streitkultur. Wir müssen uns gegenseitig fragen, wie wir mit unserer Geschichte umgehen."

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