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Vor der Einigung? Ein Abkommen wäre ein Erfolg für US-Außenminister Kerry (l.)und seinem iranischen Kollegen Sarif (r.).

© Brendan Smialowski/Reuters

Einigung nach 12 Jahren?: Endrunde in Atomverhandlungen mit dem Iran

Im schweizerischen Lausanne laufen die entscheidenden Gespräche über Irans Atomprogramm. Bis Dienstag soll ein Abkommen stehen. Doch noch streiten die Delegationen über wichtige Punkte.

Seit zwölf Jahren wird über Irans Atomprogramm gestritten. Nun haben im schweizerischen Lausanne die entscheidenden Gespräche zwischen den UN-Vetomächten USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien sowie Deutschland und der Regierung in Teheran begonnen. Bis zum 31. März soll ein Rahmenabkommen unter Dach und Fach sein. Es wäre die Vorstufe für eine umfassende Lösung bis zum Sommer. Laut der Nachrichtenagentur AFP ist in zentralen Punkten bereits eine vorläufige Einigung erzielt worden. Die iranische wie die deutsche Delegation wiesen dies allerdings als Spekulation zurück.

Die Streitpunkte

Der Vorwurf des Westens wiegt schwer: Die Iraner, so lautet die Beschuldigung, streben den illegalen Besitz von Atomwaffen an. Zumindest wollten sie die Voraussetzungen schaffen, um eine Bombe innerhalb kurzer Zeit produzieren zu können. Die Internationale Atomenergieagentur IAEO in Wien warnt seit Jahren vor einer „möglichen militärischen Dimension“ des iranischen Projekts. Der Atomwaffensperrvertrag von 1970 untersagt dem Land allerdings den Besitz von Atomwaffen.

„Es ist inakzeptabel, dass der Iran über nukleare Waffen verfügt“, betont auch US-Präsident Barack Obama. Ein militärisches Eingreifen, um das mögliche Atomwaffenprogramm der Islamischen Republik zu stoppen, wollen die Amerikaner nicht kategorisch ausschließen – vor allem mit Blick auf eine mögliche Bedrohung für Israel.

Zudem könnte sich in der Region die Machtbalance zugunsten Teherans verschieben. Saudi-Arabien und andere Staaten wollen das nicht hinnehmen. Experten fürchten daher ein atomares Wettrüsten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bezeichnet den Konflikt mit dem Iran deshalb als einen „der gefährlichsten der Welt“.

Die Ziele des Westens

Der Westen will es dem Iran unmöglich machen, Atomwaffen zu bauen. Dafür muss Teherans umfangreiches Nuklearprogramm erheblich zusammengestrichen werden. Im Jahr 2002 enthüllten iranische Oppositionelle weite Teile der geheimen Planungen der Mullahs. Doch trotz aller Proteste, Drohungen und Sanktionen treiben die Iraner das Projekt zielstrebig voran.

Wann sie tatsächlich über einsatzfähige Atomwaffen verfügen könnten, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Fest steht: Die Zeitspanne dürfte immer kürzer werden. Der Westen will grundsätzlich zwei Wege zur Bombe verschließen: Der erste führt über die Anreicherung von Uran. Wird die Substanz hochangereichert, kann sie zum Bau von Atomwaffen dienen. Schwach angereichertes Uran wird für zivile Zwecke verwendet. Der zweite Weg führt über Plutonium, das auch beim Bau der Bombe eingesetzt werden kann. Der Iran hat inzwischen damit begonnen, einen Schwerwasserreaktor zu bauen. Beim Betrieb dieser Anlagen fällt Plutonium an.

Irans Staatschef Ruhani hat großes Interesse daran, dass die Sanktionen gegen sein Land aufgehoben werden.
Irans Staatschef Ruhani hat großes Interesse daran, dass die Sanktionen gegen sein Land aufgehoben werden.

© imago

Irans Forderungen

Teheran will vor allem ein Ende der internationalen Sanktionen. Die Vereinten Nationen, die USA und die EU haben den Iran mit umfangreichen Strafen im Bereich Wirtschaft, Finanzen und Rüstung belegt. Verhängt wurden außerdem Reiseverbote. Damit reagierte man auf Teherans Weigerung, sein Atomprogramm herunterzufahren.

Besonders hart treffen die Sanktionen den Energiesektor – der Iran gehört zu den größten Erdöl- und Gasproduzenten. Die Verluste aufgrund der Sanktionen belaufen sich laut Schätzungen auf fünf bis acht Milliarden US-Dollar – pro Monat. Die Folgen für die iranische Wirtschaft sind enorm. Der Westen will dennoch die Sanktionen als Druckmittel nicht so rasch aus der Hand geben.

Die unterschiedlichen Positionen

Bei den komplexen Verhandlungen zwischen den USA, Großbritannien, Frankreich, China, Russland und Deutschland (P5 plus 1) auf der einen Seite und dem Iran auf der anderen Seite gilt der Grundsatz: Nicht ist vereinbart, bevor nicht alles vereinbart ist. Strittig ist zum Beispiel der Umfang des iranischen Atomprogramms.

Der Westen pocht auf eine Schrumpfkur, Teheran wiederum will seine bisherige nukleare Infrastruktur behalten. Uneins ist man sich auch in Sachen Überwachung. Der Westen will ein hartes Kontrollregime durch die Internationale Atomenergieagentur aufziehen. Der Iran müsse IAEO-Inspekteuren unbeschränkten Zutritt zu den Anlagen gewähren – auch ohne vorherige Anmeldung.

Friedliche oder militärische Nutzung

Der Iran weist alle Vorwürfe zurück, man strebe nach dem Besitz von Atomwaffen. Das Nuklearprogramm verfolge allein friedliche Zwecke. Dabei beruft sich die Führung in Teheran auf den Atomwaffensperrvertrag. Dieser gewährt den Iranern das Recht, die Kernenergie zum Beispiel für die Stromerzeugung zu nutzen.

Doch die Berichte der Internationalen Atomenergieagentur sprechen eine klare Sprache. Die IAEO betont bereits seit einigen Jahren: Die Iraner verheimlichen, täuschen und tricksen. Natürlich kleidet die UN-Organisation ihre Kritik in diplomatische Worte. In ihrem letzten Report von Februar heißt es, man könne nukleare Aktivitäten in militärischen Organisationen des Irans nicht ausschließen. Explizit nennt die IAEO die „Entwicklung eines nuklearen Sprengkopfes für eine Rakete“.

Israels Bedenken

Für die Regierung in Jerusalem ist der Atom-Deal ein Albtraum. Premierminister Benjamin Netanjahu befürchtet, dass der Iran an Einfluss in der Region gewinnen und mögliche Atomwaffen sogar gegen den jüdischen Staat einsetzen könnte. Noch am Sonntag warnte Netanjahu vor den Expansionsplänen des Iran, der „den gesamten Nahen Osten erobern“ wolle. „Das gefährliche Abkommen, das derzeit in Lausanne verhandelt wird, bestätigt alle unsere Befürchtungen und übertrifft sie sogar noch“, sagte der Premier.

Während die Verhandlungspartner in Lausanne mit dem Iran über eine ausschließlich friedliche Nutzung der Kernenergie verhandeln, will Netanjahu Teheran jede Möglichkeit zur Anreicherung von Uran verbieten. Derzeit ist Israel das einzige Land im Nahen Osten, das Atomwaffen besitzt. Bei einem Abkommen könnte der Iran dem jüdischen Staat diese Position streitig machen.

„Israel hat große Sorge vor einem wachsenden Einfluss des Iran und seiner Verbündeter in der Region. Besonders beunruhigend ist für Israel die Ausweitung und Verfestigung der Hisbollah-Präsenz auf den Golanhöhen“, sagt Muriel Asseburg, Nahost-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Auf die Gespräche in der Schweiz hatte Israels Regierung zuletzt kaum noch Einfluss. Grund dafür sind die sich seit Monaten verschlechternden Beziehungen zur US-Regierung. In den Augen von Barack Obama gefährdet Netanjahu durch sein aggressives Auftreten eine mögliche Einigung mit dem Iran.

Die Vorbehalte der Golfstaaten

Jede Annäherung zwischen dem Westen und dem Iran wird von den Golfstaaten mit großem Argwohn registriert. Die sunnitischen Herrscher dort und in Ägypten warnen nicht nur vor dem Abkommen als solchem, sondern vor allem vor dessen Konsequenzen. Ihrer Überzeugung nach könnte eine Übereinkunft erhebliche Konsequenzen für die Machtverhältnisse in Nahost haben.

Denn Teheran versucht schon seit Jahren, seinen Einflussbereich in der Region auszuweiten. Die schiitisch geprägte Islamische Republik ist nicht nur in die Kriege im Irak und in Syrien verwickelt, sondern spielt auch im Libanon und im Jemen eine wichtige Rolle. Sollten infolge einer Vereinbarung die Sanktionen gelockert werden, könnte dies Teheran stärken und gleichzeitig den Gegenspieler Saudi-Arabien schwächen.

Zumal die USA womöglich den einstigen Erzfeind beim Machtausbau gewähren ließen. Denn der Iran bekämpft auch einen gemeinsamen Feind: die sunnitische Terrormiliz „Islamischer Staat“.

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