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Violetta Rudat betreibt ein Restaurant mit abchasischen Spezialitäten in Halensee. Gern würde sie es einmal ihrer Schwester zeigen, die in Abchasien lebt.

© privat

Einreisebestimmungen: Die Grenzen der Gastfreundschaft

Eine Abchasin will ihre Schwester in Berlin besuchen – das ist fast unmöglich. Auch wer sich leichtfertig aufmacht nach Abchasien, dem drohen Festnahme und Strafverfahren.

Von Matthias Meisner

Es ist ein abgelegener Zipfel Land: Abchasien an der Nordküste des Schwarzen Meeres, gerade mal 8600 Quadratkilometer groß, kaum mehr als ein politischer Spielball größerer Mächte. Neben dem 2008 im Krieg mit Russland umkämpften Südossetien ist Abchasien die zweite abtrünnige Republik Georgiens. Gerade mal sechs Staaten haben dieses Land mit seinen gut 200 000 Einwohnern völkerrechtlich anerkannt, darunter ein paar Südseeinseln, Venezuela, Nicaragua – und Russland. Moskau ist quasi Schutzmacht, während Georgien sowie etwa auch die USA in der Republik nur von Russland okkupiertes georgisches Gebiet sehen. Wer sich leichtfertig aufmacht nach Abchasien, dem drohen Festnahme und Strafverfahren.

Umgekehrt ist es für Abchasen alles andere als einfach, nach Europa zu kommen, wie Violetta Rudat zu berichten weiß. Sie stammt aus Abchasien, 1986 hat sie beim Studium in Moskau ihren Mann kennengelernt, einen Thüringer. Sie zog dann bald in die DDR und hat seit Anfang der 90er Jahre die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit einem Jahr betreibt sie in Berlin-Halensee ein Restaurant mit abchasischen Spezialitäten, das erste in Deutschland überhaupt. Zu gern würde sie das ihrer in Abchasien lebenden einzigen Schwester zeigen, einer gelernten Köchin. Deswegen hat sie geholfen, die Dokumente für den Berlin-Besuch zusammenzutragen.

Praktisch ist die Reise bisher unmöglich geblieben. Zwar haben die russischen Behörden der Schwester – wie vielen anderen Abchasen – vor Jahren einen russischen Pass ausgestellt. Doch als sie vor kurzem bei der deutschen Botschaft in Moskau um ein Schengen-Visum nachsuchte, wurde sie abgewiesen. Die verwies an die Botschaft in der georgischen Hauptstadt Tiflis; schließlich habe die Abchasin doch keinen Wohnsitz in Russland. Die Schwester von Violetta Rudat musste zunächst aufgeben. Gegen Bestechung wollte sie sich nicht die Papiere der russischen Behörden verschaffen.

Für ein Visum aus Tiflis aber gibt es ein weiteres Problem. Die deutsche Botschaft dort fordert: „Zur Beantragung eines Visums ist grundsätzlich die persönliche Vorsprache erforderlich.“ Das verschreckt viele Antragsteller. Wohl nicht zu Unrecht, denn die Sicherheitslage ist prekär. Auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes heißt es: „Abchasien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt“. Und: „Eine legale Ein- und Ausreise nach Georgien bzw. aus Georgien heraus ist gemäß dem ,Gesetz über die besetzten Gebiete’ über die russisch-georgische Grenze in Abchasien nicht möglich“. Besondere Ausnahmefälle bedürften der Zustimmung der georgischen Regierung.

Für einen Abchasen, der keine Verwandten in Tiflis hat, sei die Reise viel zu gefährlich, meint Rudat. Sie selbst schwärmt in Vorträgen über ihr Land oft vom hohen Wert der Gastfreundschaft. „Hässlich“ sei das alles, meint sie, „unmenschlich“. Ihre Schwester sei inzwischen „den Tränen nahe“. Nicht nur die beiden fragen sich, ob die Verwaltungspraxis der deutschen Behörden mehr Ausnahmen zulassen müsste. Auskünfte dazu vermochte das Auswärtige Amt am Dienstag nicht zu geben.

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